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Mit den Augen der Fremden

Mit den Augen der Fremden

Titel: Mit den Augen der Fremden
Autoren: Gordon R. Dickson
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Mele hinüber. Sie erwiderte seinen Blick.
    „Die Bären, hat Krott festgestellt“, sagte Jason, „entwickelten einen Reflex, der sie dazu veranlaßte, jede sich bewegende Nahrungsquelle anzugreifen. Obwohl sie mit der ganzen Familie sehr befreundet waren, griff eines Tages einer von ihnen Mrs. Krott an und riß ihr die Jacke herunter, um an ein paar Reagenzgläser mit Alkohol zu kommen, die sie in der Tasche trug. Der Angriff hatte nichts mit den Gefühlen des Bären für Mrs. Krott zu tun.“
    „Aber die Ruml …!“ sagte Swenson ungeduldig.
    „Das ist es ja“, sagte Jason. „Die Ruml werden drei Jahre im Körper ihrer Mutter ausgetragen und nachher sechs Jahre in einem Beutel getragen, der dem des Beuteltiers ähnelt oder sagen wir: dem des Känguruhs. Und während dieser sechs Jahre sind sie nur halb bei Bewußtsein. Dann fangen sie plötzlich zu wachsen an, verlassen den Beutel und stehen binnen einer Woche auf eigenen Beinen. Sie verlassen ihre Mutter und nehmen binnen weniger Wochen extrem schnellen Lernens Sprache und Sitten auf. Binnen weniger Wochen sind sie kleine Erwachsene, individuell unabhängig und voll verantwortlich.“
    „So ist das also …“ sagte Swenson langsam. „Wo wir denken, werden sie also von Reflexen geleitet – ist es das?“
    „Und wir werden in Bereichen von Reflexen geleitet, wo sie wiederum denken“, sagte Jason. „Während das junge Menschenkind lernt und sich in einer liebevollen Umgebung, der Familie, befindet, ist der junge Ruml im Beutel seiner Mutter noch nicht bei Bewußtsein. Wenn er diesen Beutel verläßt, ist er im Wesen erwachsen und unabhängig. Er wird sich kaum an seine Mutter erinnern, geschweige denn irgendeine Zuneigung oder einen sonstigen ähnlichen Reflex für sie empfinden. Und unter diesen Umständen konnten die Ruml natürlich nicht eine Gesellschaft auf den gleichen Grundlagen wie die unsere entwickeln.“
    „Nun?“ fragte Swenson. „Was ist dann ihre Grundlage?“
    „Sind Sie sicher, daß Sie die unsere kennen?“ fragte Jason. „O ja, Sie sagten, Sie hätten gehört, was ich Mele im Hospital gesagt habe. Nun, ich will es noch mal wiederholen. Unser Instinkt als Menschen ist es, die Rasse als Individuum zu schützen. Den Ruml dagegen fehlen die ersten Jahre der menschlichen Entwicklung, und so haben sie statt dessen einen Impuls, die Rasse als Idee zu schützen – ein Ehrsystem, das dafür geschaffen ist, das Überleben der Rasse zu garantieren.“
    Er sah Swenson an.
    „Darauf habe ich hingearbeitet“, sagte er. „Ich habe einen Weg gesucht, die Ruml davon zu überzeugen, daß sie friedlich Seite an Seite mit den Menschen leben sollten. Einen Weg, der sich in Kategorien der Ehre, so wie die Ruml sie kannten, ausdrücken ließ – nicht in Kategorien unserer eigenen menschlichen Rechte und Gefühle für eine Sache, die die Ruml einfach nicht kennen. Genaugenommen existieren diese für sie überhaupt nicht. Für uns – zum Beispiel – wäre es unmoralisch, unseren besten Freund ungerecht zum Tode zu verurteilen, nur um andere damit zu beeindrucken. Für jemanden wie Kator gab es keine Verbindung zwischen den Moralbegriffen und einer solchen Handlung. Das einzig moralisch Wichtige für ihn war es, bei der Gründung seines Reichs Erfolg zu haben. Alles, das ihm dabei half, war moralisch, weil es darauf abzielte, die Rumlrasse zu verbessern.“
    Jason hielt inne und schloß wieder die Augen, um auszuruhen.
    „Was ist dann für sie unmoralisch?“ fragte Swenson, als sei es weniger sein Ziel, eine Antwort auf seine Frage zu bekommen, als Jason zum Reden zu bringen. Aber der lachte bloß.
    „Ich bin froh, daß Sie diese Frage gestellt haben“, sagte er. „Auf den Punkt wollte ich gerade kommen. Es ist unmoralisch, keinen Erfolg zu haben. Das ist es, was für die Ruml unmoralisch ist. Die ganze Rasse der Ruml ist wie ein Königreich von Untertanen, das bereitsteht und darauf wartet, daß jemand es übernimmt, jemand, der den Mut hat, sich die Krone aufzusetzen und es nach vorne in die Zukunft zu führen. Aber wenn er sich die Krone aufsetzt, muß er andauernd Erfolge liefern – das ist der Grund, warum nur ein Ruml unter Millionen es versucht. Jeder Mißerfolg – ganz gleich wie unbedeutend – ist sein Todesurteil. Deshalb habe ich diesen Abschnitt zu Kators Aufnahme hinzugefügt.“
    „Was meinen Sie damit?“ fragte Swenson.
    „Ich meine …“
    „Augenblick mal!“ unterbrach ihn einer der Uniformierten, der am Fenster stand
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