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Mit 80 000 Fragen um die Welt

Mit 80 000 Fragen um die Welt

Titel: Mit 80 000 Fragen um die Welt
Autoren: Dennis Gastmann
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das Raucher-Séparée mit Aschenbechern und einer Extrapackung Kleenex. «Damit können sich die Frauen nach dem Rauchen den Mund abputzen, wenn Sie verstehen, was ich meine.» Ich verstehe und möchte das Séparée schnell wieder verlassen.
    Es ist erst 14   Uhr, aber der Klub füllt sich bereits mit Pärchen, die sich durch unsere Kamera gestört fühlen. Sie wollen endlich loslegen. Frauen und Männer zwischen vierzig und sechzig Jahren in gewöhnlichen Straßenklamotten. Sie wirken absolut normal, es könnten meine Eltern sein, das überrascht mich. Die Regeln in diesem Etablissement sind übrigens einfach: Für Frauen ist der Eintritt gratis, Männer zahlen etwa vierzig Euro, dürfen aber nur hinein, wenn sie eine Begleiterin mitbringen. Im schummrigen Schein eines Elektro-Kronleuchters entdecke ich ein Foto. Es zeigt Monsieur Roger mit seiner Frau. Aber da ist noch jemand.
    «Ist das etwa Gérard Depardieu?»
    «Non, non, non, non – das filmen Sie bitte nicht!»
    Ich bestelle einen Champagner und denke darüber nach, wie viele frustrierte Ehejahre ich wohl brauche, um eines Tages mit meiner Zukünftigen hier Stammgast zu sein.
    «Wie ist das mit Ihnen – nehmen Sie Ihre Frau hier mit hin?»
    «Natürlich! Meine Frau arbeitet auch hier, meine Tochter steht an der Bar, und ist Ihnen der Herr an der Kasse aufgefallen? Das ist mein Sohn.»
    Ich blicke mich um und sehe einen jungen Mann mit weißem Hemd und schwarzen Haaren. Er winkt herüber.
    «Dann ist das hier also ein Familienunternehmen?»
    «Ja, seit über dreißig Jahren. Es geht hier sehr familiär zu.»
    Ich möchte nicht weiter nachbohren. Offensichtlich ist Monsieur Roger in seinem Swingerklub auch gerne mal selbst zu Gast. Vielleicht sollte ich mich setzen.
    «Eigentlich suche ich ja die Liebe», murmele ich. Jetzt wirkt Roger gerührt. Der Monsieur nimmt sich einen Barhocker und legt seine rechte Hand väterlich auf meine Schulter.
    «Pass mal auf, mein Junge. Wenn du die Stadt der Liebe suchst, bist du hier in Paris falsch. Da musst du schon nach Venedig fahren.» Und dann erwischt der Bumsonkel einen Gedanken, der ihn für einen Augenblick zum Gelehrten macht: «Wenn du echte Liebe suchst, wirst du sie in Paris nicht finden. Und wenn du alleine in Paris bist, wirst du die Stadt hassen. Paris ist nur dann die Stadt der Liebe, wenn du deine Liebe mitbringst.»
    Monsieur Roger hat recht. Ohne Liebe ist Paris nur eine Stadt. Und mein Herz nur ein Muskel.

KAPITEL 3
«WARUM WIRD MAN TORERO?»
    TANZ MIT DEM TOD
    Der Ku-Klux-Klan trägt heute Lila. Und ich bin mal wieder underdressed. In grüner Militärjacke und abgewetzten Jeans habe ich mich zwischen die Brüder gemogelt, die nun links und rechts an mir vorbeimarschieren. Manche halten Kerzen in den Händen, andere schleppen Holzkreuze auf ihren Schultern. Und niemand sagt ein Wort. Ich spreche einen von ihnen an, aber er bleibt stumm, schreitet voran und blickt durch mich hindurch. Bin ich gar nicht da? Doch. Einer der Kuttenträger drängt mich beherzt aus dem Weg.
    Nein, dies ist nicht Alabama. Dies ist die Innenstadt von Sevilla, und ich bin zu Gast auf der Semana Santa. Sieben Tage Ausnahmezustand – von Palmsonntag bis Ostersonntag. Tausende prozessieren in Büßerkostüm und Sandalen über das Kopfsteinpflaster. Manche in Lila, andere in Schwarz, Weiß oder Weinrot – je nachdem, aus welchem Viertel sie kommen. Begleitet von Trommeln und silbernen Trompeten, die in der Sonne blitzen, schleppen die Capuchones das Mobiliar ganzer Kirchen durch die Innenstadt: Leuchter, Marienbilder und Pasos – schwere, goldbeschlagene Holzbahren mit vier Tragbalken, auf denen die Büßer Madonnenstatuen und handbemalte Figuren von Heiligen balancieren. Ein Paso kann mehrere Tonnen wiegen, und manchmal sind dreißig Mann nötig, um ihn zu heben.
    Auch kleine Jungs dürfen schon mitbüßen, mit spitzen Mützchen und Kinder-Kutte. Der Rest der Stadt steht am Straßenrand und klatscht, und hoch über allen, oben aufeinem kleinen Balkon, singt eine alte Frau ein Klagelied. Sevilla ist die Wiege des Flamenco und das Herz des Stierkampfs.
    Nur wenige Straßen entfernt liegt eine der ältesten Arenen Spaniens, die Real Maestranza. Eine Schönheit aus dem 18.   Jahrhundert mit stuckverzierten, weiß getünchten Außenwänden, Balustraden und spitzen Türmen. Ockerfarben umrandete, blutrote Holztüren führen ins Innere.
    Manche vergleichen die haushohen Pforten mit den Toren zur Hölle. Doch noch ist es dahinter
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