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Mit 16 tanzt man in das Leben

Mit 16 tanzt man in das Leben

Titel: Mit 16 tanzt man in das Leben
Autoren: Tina Caspari
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Mädchen hatte mindestens einen Strauß mitgebracht, an den Wänden prangten Fähnchen und bunte Plakate mit Willkommensgrüßen und guten Wünschen. Ein paar der Schüler und Schülerinnen, die in den Ferien nicht verreist gewesen waren, hatten den großen Ballettsaal frisch gestrichen und Frau Künzels Büro neu tapeziert.
    Im Warteraum stand eine Theke mit Gläsern und Geschirr bereit, daneben auf einem Tisch prangten Kuchen und belegte Brötchen. Es hatte einen regelrechten Wettstreit zwischen den Mädchen gegeben, wer den schönsten Kuchen backen würde.
    „Wenn ich mir das so betrachte, bedaure ich, daß ich etwas zu Mittag gegessen habe“, seufzte Katja.
    „Du wirst es gleich noch mehr bedauern“, sagte Petra feierlich und hob eine mit einem Tuch bedeckte Platte aus ihrem Korb. „Hilf mir mal, nimm das Tuch runter!“
    Katja gehorchte. Zum Vorschein kamen zwei dick mit Puderzucker bedeckte Strudel von beachtlichen Ausmaßen.
    „Ein Apfel- und ein Zwetschgenstrudel“, erklärte Petra stolz. „Bei Tante Ulla studiert und hier ganz allein hergestellt!“
    „Alle Achtung, damit kann ich nicht konkurrieren. Aber ich brauchte ja auch nur für Getränke zu sorgen.“
    „Alles fertig, Kinder? Sie müssen bald da sein. Constanze und Ulrike holen Frau Künzel zu Hause ab.“
    Elfie Krüger, Frau Künzels Assistentin, fegte durch den Raum, rückte hier etwas zurecht, zupfte dort einen Fussel vom Teppich und schien mehr Lampenfieber zu haben, als vor dem großen Tanzabend, den sie zugunsten ihrer Lehrerin gegeben hatten, als diese nach ihrem schweren Unfall noch im Krankenhaus lag. Monatelang hatten die Schülerinnen gemeinsam mit Elfie den Betrieb in der Ballettschule allein aufrechterhalten.
    „Kommen sie mit einem Taxi?“ erkundigte sich Katja und trat auf Zehenspitzen an das kleine Fenster, das eigentlich mehr ein Luftschacht war. Viel mehr als vorübereilende Füße und die Räder der parkenden Autos konnte man nicht erkennen.
    „Janos wollte sie fahren, wenn er pünktlich genug von der Probe kommt.“
    „Da sind sie! Achtung!“ fiel ihr Katja ins Wort. „Alles auf die Plätze!“
    Der Ruf wirkte wie ein Trompetensignal. Aus allen Türen zugleich schossen die Schülerinnen heraus, kleine und große
    Mädchen drängten in den Raum und stellten sich blitzschnell in einem Halbkreis auf. Elfie zündete ein paar Kerzen an und sah sich noch einmal prüfend um. In Sekunden war es totenstill im Raum.
    „Sie sind schon auf der Treppe“, wisperte Marlene.
    Am Ende des Ganges wurde die Tür aufgeschoben, dann näherten sich leise Schritte.
    „Achtung - fertig - los!“ flüsterte Elfie.
    Petra summte den Ton an, dann schallte es Frau Künzel lautstark entgegen:

„For she’s a jolly good fellow,
for she’s a jolly good fellow,
for she’s a jolly good fe-he-loooow
- and so say all of us...“

    Katja sang, was ihre Lunge hergab. Sie sah die zerbrechliche kleine alte Dame mit den gütigen Augen, sah, wie sehr sie sich durch die monatelange Krankheit verändert hatte, sah, wie ihr die Freudentränen über die Backen liefen und spürte, daß sie selbst gleich anfangen würde zu heulen, wenn sie nicht diesen Kloß in ihrer Kehle wegsingen würde. Den anderen schien es ähnlich zu gehen, der Gesang glich bald mehr einem Gebrüll.

    Erst Janos’ verzweifelte Grimassen hinter dem Rücken von Frau Künzel, mit denen er andeutete, daß ihm gleich das Trommelfell platzen würde, lösten die Spannung in Gelächter und überschwengliche Begrüßung.
    Frau Künzel umarmte jede einzelne ihrer Schülerinnen. Im Hintergrund erhob sich emsige Geschäftigkeit, Gläser wurden eingeschenkt und herumgereicht.
    Janos geleitete Frau Künzel zu einem Sessel, dann ergriff er ein Glas und hob es hoch empor.
    „Seid bitte alle mal still“, rief er übermütig. „Ich möchte die erste und letzte Rede meines Lebens halten. Wenn ich stecken bleibe, müßt ihr mir helfen.“
    Er stellte sich feierlich vor Frau Künzel auf, und die Mädchen umringten ihn.
    „Liebe, verehrte Lehrerin, Meisterin, Ersatzmutter und Freundin!“ begann er, und die Mädchen murmelten Zustimmung. „Herzlich willkommen zu Hause! Ich gehöre zwar nicht mehr direkt zu Ihren Schülern, sondern bin seit einigen Jahren aus dem Nest entlassen - trotzdem möchte ich im Namen aller Schüler der Ballettschule Künzel meiner Freude Ausdruck geben, daß Sie wieder gesund in unserer Mitte sind!“ Heftiger Beifall unterstrich Janos’ feierliche Ansprache. „Wir
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