Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mistreß Branican

Mistreß Branican

Titel: Mistreß Branican
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
im Staate Tennessee glücklich zu speculiren, so war er doch mit seinem Bruder in Verbindung, den die Geschäfte in den Vereinigten Staaten zu New-York zurückhielten. Als dieser Witwer wurde, ließ er sich in San-Diego nieder, der Geburtsstadt seiner Frau, wo er starb, als die Heirat Dollys mit John Branican schon eine beschlossene Sache war. Die Hochzeit wurde nach Ablegung der Trauer gefeiert und der junge Haushalt hatte weiter keine Unterstützung als das Wenige, was Starter der Jüngere hinterlassen hatte.
    Kurze Zeit darauf kam nach San-Diego ein Brief, der an Dolly Branican adressirt war und von Starter dem Aelteren kam; das war das erstemal, daß er seiner Nichte schrieb, und es sollte auch das letztemal sein.
    Obwohl Starter weit von ihr war und obwohl er sie nie gesehen hatte, so vergaß er doch nicht, daß er eine Nichte hatte, die leibliche Tochter seines Bruders. Wenn er sie nie gesehen hatte, so war der Grund der, weil Starter der Jüngere und Starter der Aeltere nicht mehr miteinander zusammengekommen waren, seitdem letzterer eine Frau genommen hatte, und weil der jüngere Bruder zu Nashville, dem entlegensten Theile von Tennessee, lebte, während sie in San-Diego wohnte. Nun, Tennessee und Californien liegen ungefähr einige hundert Meilen auseinander, die der Onkel in keinem Falle zurücklegen wollte. Wenn daher dieser die Reise viel zu anstrengend fand, seine Nichte zu besuchen, so fand er es ebenso sehr langweilig, wenn ihn seine Nichte besuchen würde, und er ersuchte sie, ihn nicht zu belästigen.
    Dieser Mensch war wirklich ein Bär, nicht einer jener amerikanischen Bären, die Krallen und einen Pelz haben, aber einer jener menschlichen, die fern von jedem gesellschaftlichen Leben in der Wildniß hausen.
    Das sollte übrigens Dolly keine Sorge bereiten. Sie war also die Nichte eines Bären, gut! Aber dieser Bär besaß das Herz eines Onkels. Er vergaß nicht, was er seinem Bruder verdankte, und die einzige Tochter seines Bruders sollte die Erbin seines Vermögens sein.
    Starter fügte hinzu, daß dieses Vermögen schon werth sei, eingeheimst zu werden, denn es belief sich damals auf fünfhunderttausend Dollars (über eine Million Gulden) und mußte sich noch vergrößern, da die Urbarmachung in dem Staate Tennessee ungemein prosperirte. Da dasselbe in Ländereien und Vieh bestand, so wäre es etwas Leichtes, es flüssig zu machen; man würde es zu einem vortheilhaften Preise losschlagen, und die Käufer würden sicher nicht ausbleiben.
    Es war zwar ein wenig derb gesagt, aber das ist den eingebornen Amerikanern einmal eigen. Das Vermögen sollte ganz Mrs. Branican oder ihren Kindern zufallen. Sollte Mrs. Branican ohne directe oder andere Nachkommen sterben, so würde das Vermögen dem Staate anheimfallen, was dieser sehr gern nehmen würde.
    Noch zwei Dinge:
    1. Starter war ledig und würde es auch bleiben. »Die Dummheit, welche man gewöhnlich zwischen zwanzig und dreißig Jahren macht, würde er auch mit sechzig Jahren nicht machen,« war eine gewöhnliche Redensart seines Briefes. Nichts könnte das Vermögen von der Bestimmung abbringen, die er festgesetzt habe, und dasselbe würde ebenso sicher in den Haushalt Branican fließen, wie sich der Mississippi in den Golf von Mexiko ergießt.
    2. Starter werde alle Anstrengungen machen – übermenschliche Anstrengungen – um seine Nichte so viel wie möglich zu bereichern. Er werde versuchen, hundert Jahre alt zu werden, und deshalb werde man ihm wohl nicht zürnen, wenn er bis zum letzten Faden hartnäckig bleibe.
    Endlich ersuchte Starter Mrs. Branican – er befahl es ihr sogar – ihm nicht zu antworten. Uebrigens wären kaum Communicationsmittel zwischen den Städten und der Wildniß vorhanden, die er da hinten in Tennessee bewohne. Was ihn betreffe, so würde er nicht mehr schreiben, höchstens, daß er gestorben wäre, und dann wäre der Brief eigentlich auch nicht von ihm.
    So lautete der eigenthümliche Brief, den Mrs. Branican erhielt. Daß sie die Universalerbin, die gesetzliche Erbin ihres Onkels werden sollte, das war nicht zu bezweifeln. Sie solle also einmal dieses Vermögen von fünfhunderttausend Dollars besitzen, das wahrscheinlich durch die unermüdliche Arbeit des Onkels noch heranwachsen soll. Aber da Starter deutlich die Absicht kund gab, hundert Jahre alt zu werden – und man weiß, daß diese Nordamerikaner ein zähes Leben haben – so hätte John Branican nicht gut gethan, seinen Seemannsstand aufzugeben. Seine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher