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Mistreß Branican

Mistreß Branican

Titel: Mistreß Branican
Autoren: Jules Verne
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verdrehen und das Gut Anderer als das seinige anzusehen, warf er sich bald in Hunderte von Speculationen, die immer mehr das Licht zu scheuen hatten. In der Zeit, wo diese Geschichte beginnt, war Len Burker fast auf dem Trockenen, und diese Verlegenheit spiegelte sich auch in seinem Haushalte ab. Aber er wußte Alles geheimzuhalten, und da er noch über einen gewissen Credit verfügte, so verwendete er das geborgte Geld immer wieder zu neuen Speculationen.
     

    … hatte Len Burker eine Kanzlei eröffnet. (S. 24.)
     
    Aber ein solches Vorgehen mußte schließlich zu einer Katastrophe führen. Die Stunde war nicht mehr fern, wo die Reclamationen von allen Seiten herbeiströmen mußten. Vielleicht würde dieser Yankee, der nach Westamerika gekommen war, keinen anderen Ausweg mehr haben, als San-Diego zu verlassen, wie er Boston verlassen hatte. Und doch hätte in dieser intelligenten Stadt, deren Fortschritte sich von Jahr zu Jahr wahrnehmen ließen, ein ehrlicher Mensch hundertmal Gelegenheit gehabt zu reussiren. Doch dazu gehörte eben das, was Len Burker nicht besaß, nämlich Ehrlichkeit und Intelligenz.
    Wir müssen noch ein wenig dabei verweilen, warum weder John Branican oder Mr. William Andrew, noch sonst Jemand etwas von dem Treiben Len Burker’s ahnte. In der Geschäftswelt wußte man nicht, daß dieser Abenteurer – gefiele es dem Himmel, daß er nur diesen Namen verdient hätte – vor seinem Abgrunde stehe. Und selbst wenn die drohende Katastrophe eintrat, würde man ihn nur als einen Menschen ansehen, der vom Glücke weniger begünstigt war, und nicht als einen jener Leute, die sich auf alle nur mögliche Weise zu bereichern suchen. Ohne daß John Branican für ihn irgend eine besondere Sympathie gehabt hätte, so hatte er doch nie das geringste Mißtrauen gegen ihn gehegt, so daß er auch fest darauf vertraute, Burker werde während seiner Abwesenheit für seine Frau in bester Weise sorgen, und wenn Dolly sich irgendwie genöthigt sehen würde, bei ihm Zuflucht zu suchen, daß er ihr jeden Schutz angedeihen lassen werde. Jenes Haus war ihr stets offen und sie würde dort nicht nur bei einer Freundin, sondern auch bei einer Schwester Aufnahme finden.
    In diesem Punkte war den Gefühlen Jane Burker’s vollständig zu trauen, denn die Freundschaft, die sie für ihre Cousine hegte, war eine wirklich aufrichtige. Weit entfernt, die Freundschaft, welche die beiden Frauen vereinigte, zu tadeln, hatte sie Len Burker sogar gefördert, sicher in der Hoffnung auf gewisse Vortheile, welche ihm diese Verbindung einbringen würde. Er wußte übrigens, daß Jane nie etwas von dem, was sie nicht sagen sollte, ausplaudern, daß sie sich über ihre eigene Lage reservirt halten und nichts sagen würde von den Verlegenheiten, in denen sich ihr Hausstand befindet. Darüber würde Jane schweigen und auch ihm würde darüber nie ein Vorwurf entschlüpfen.
    Wir müssen eben noch einmal sagen, daß die Frau ganz unter seinem Einflusse stand, obwohl sie ihn für einen gewissenlosen Mann hielt, der nach dem Verluste seines wenigen moralischen Sinnes zu Allem fähig war. Wie hätte sie ihn nach so vielen Enttäuschungen noch schätzen können? Aber – und man kann dies nicht oft genug hervorheben – sie fürchtete ihn und sie folgte ihm auf den Wink, selbst wenn seine Sicherheit ihn in den entlegensten Theil der Welt verschlug. Das that sie aber nur aus Achtung vor sich selbst, denn sie wollte um keinen Preis der Welt Jemanden das Elend in ihrem Hause sehen lassen, noch je der Cousine ihren Schmerz anvertrauen, den diese vielleicht ahnte, auch ohne ins Vertrauen gezogen zu werden.
    Jetzt ist das Verhältniß zwischen John und Dolly Branican einerseits und das Len und Jane Burker’s andererseits zur Genüge auseinandergesetzt, um das Folgende gründlich zu verstehen. In welcher Weise hatte sich dies so unerwartet und plötzlich fügen können? Niemand wäre im Stande gewesen, es zu ergründen.
Drittes Capitel.
Prospect-House.
    Vor dreißig Jahren zählte Nieder-Californien – ungefähr ein Drittel des Staates Californien – kaum fünfunddreißigtausend Einwohner, während sich die Bevölkerung jetzt auf mehr als hundertfünfzigtausend Menschen beläuft. In jener Zeit waren die Ländereien dieser Provinz noch ganz unbebaut und schienen nur für die Viehzucht geeignet zu sein. Wer hätte ahnen können, welche Zukunft einer so verlassenen Gegend vorbehalten sei, wo sich die Communicationsmittel zu Lande auf eine Straße, zu
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