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Mission Munroe. Die Sekte

Mission Munroe. Die Sekte

Titel: Mission Munroe. Die Sekte
Autoren: Taylor Stevens
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Straßen beobachtet, dem Herzschlag der Suite gelauscht, darauf gewartet, dass die Nacht sich ausbreitete, nur um sicher zu sein, dass er wirklich eingeschlafen war.
    Sie selbst würde erst sehr viel später Ruhe und Schlaf finden, wenn überhaupt. Wach zu sein, wenn die Dunkelheit die Welt mit einer Maske der Schönheit überzog, bedeutete, am Leben zu sein.
    Munroe wandte sich vom Fenster und ihrem gespenstischen Spiegelbild ab und verließ das Zimmer. Sie fuhr mit dem Fahrstuhl nach unten, dorthin, wo die mitternächtliche Luft die Feuchtigkeit des Tages immer noch nicht loslassen wollte, wo Zivilisation und Asphalt, Abgase und Abfall eine Duftmischung bildeten, wie sie nur die Hitze einer Großstadt hervorbringen kann. New York im Hochsommer.
    Sie verließ das Hotel, um an die Luft zu kommen, um die Verspannungen nach viel zu vielen Stunden im Flugzeug loszuwerden, und so ging sie mit schnellen Schritten in Richtung Westen, ohne ein bestimmtes Ziel.
    Ein wimmernder Laut drang aus einer Dienstboteneinfahrt an ihr Ohr, hinderte sie daran vorbeizugehen, und lockte sie stattdessen in ein schwarzes Loch, in dem zahlreiche Schemen parkender Lastwagen und Autos zu erkennen waren. Es war ein Laut, der nicht in die nächtliche Stadt passen wollte, der Schrei eines verirrten Kätzchens oder, wie Munroe feststellte, nachdem ihre Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, das abgrundtiefe Entsetzen eines Mädchens, das von zwei Männern zu Boden gedrückt wurde.
    Die junge Frau war höchstens achtzehn, ein halbes Kind noch, ein perfektes Beispiel für die vielen unschuldigen, hoffnungsvollen und naiven Mädchen, die auf der Suche nach mehr in stetigem Strom in die Großstadt kamen, nur um sich irgendwann als Brandopfer in den Feuern des Molochs wiederzufinden.
    Die Männer kauerten über ihr. Jede ihrer Bewegungen war drohend, schroff und feindselig. Munroe konnte nicht hören, was sie sagten, sie nahm nur den finster bedrohlichen Tonfall wahr, der in der regungslosen Luft zu ihr herüberdrang. Die junge Frau hatte aufgegeben, sie wehrte sich nicht mehr und wirkte wie gelähmt. Sie war nicht freiwillig in diesen ölverschmierten und müllbedeckten Hinterhof gekommen. Vielleicht war sie hierherverschleppt worden. Sie trug keine Schuhe mehr. Ihr Kleid war zerrissen und bis über die Hüften nach oben gerutscht. Ihre Brust hob und senkte sich, während sie lautlos schluchzte.
    Munroe blieb stehen und blickte – für eine Sekunde, die sich wie tausend Jahre anfühlte – nur starr geradeaus. Sie empfand weder Überraschung noch Schrecken darüber, dass sie dem Bösen direkt in die Arme gelaufen war. Sie empfand nichts als unstillbaren Zorn angesichts dieser Missachtung der Unschuld, eine ungezügelte Wut, die aus ihrem tiefsten Inneren immer weiter nach oben kochte, bis hinauf in ihren Kopf, in einem dröhnenden Rhythmus, der nach Vergeltung und Zerstörung schrie. Selbst wenn sie gewollt hätte, sie hätte sich nicht mehr abwenden können, so mächtig waren die Trommeln des Krieges.
    Sie wandte den Blick kein einziges Mal ab, während sie einen Fuß vor den anderen setzte, vorwärtsglitt, langsam, sicher, bewusst, bis ihr Zeh an etwas Weiches, Biegsames stieß.
    Munroe blieb stehen. Sah nach unten.
    Die Handtasche der jungen Frau, ausgekippt.
    Die Augen immer geradeaus gerichtet, so ging sie weiter, ungesehen und ungehört, bis sie dicht vor den Männern stand. Diese bemerkten sie und ließen von ihrem gewalttätigen Tun ab.
    Der Größere der beiden, der Anführer des Duos, erhob sich und baute sich vor Munroe auf.
    Raum und Zeit verlangsamten sich, flossen ineinander, und er wurde zu einem Angriffsziel, zu einem grauen Schatten in der Schwärze der Nacht. Sie ließ die Arme locker zu beiden Seiten hängen, ihre Haltung blieb entspannt, fast schon lässig, während ihr Blick durch den umbauten Innenhof huschte und Entfernungen abschätzte, Flächen in Augenschein nahm und nach Dingen suchte, die ihr als Waffe dienen konnten.
    Der Mann trat näher, drang in ihre persönliche Sphäre ein.
    Er bestand aus ekligem Gestank und geblähten Nüstern, aus Augen, die nichts sahen, aus Luft ohne Sauerstoff. Er blickte auf Munroe herab und atmete ein, schnupperte an ihren Haaren.
    Die Trommelschläge in ihrem Inneren wurden härter, lauter: ein Marschbefehl an jede einzelne ihrer Körperzellen.
    »Nun sieh mal einer an. Was haben wir denn da?«, sagte er, und sein Partner kicherte. Es war eher ein nervöses Bellen, während er das
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