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Mission Munroe. Die Sekte

Mission Munroe. Die Sekte

Titel: Mission Munroe. Die Sekte
Autoren: Taylor Stevens
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verstand die Skepsis der anderen und schob seine eigenen Zweifel beiseite, weil er unbedingt wollte, dass sie bereit war, seine Bitte zu erfüllen.

Kapitel 4
    Buenos Aires, Argentinien
    Bäume und Häuser und parkende Autos zogen am Seitenfenster des Kleinbusses vorbei, und Hannah starrte hinaus. Sie konnte kaum etwas sehen, hörte aber sehr aufmerksam zu.
    Sie wollte unbedingt wissen, warum sie hier war, aber ihr war klar, dass sie auf keinen Fall fragen durfte, und so saß sie stumm in der hintersten Sitzreihe und versuchte, dem Gespräch der beiden Erwachsenen auf den Vordersitzen irgendwelche Hinweise zu entnehmen.
    Das Nichtwissen bereitete ihr Magenschmerzen. Wenn man weiß, was passieren wird, auch wenn es etwas Schlechtes ist, dann kann man sich wenigstens darauf einstellen. Es war besser, etwas Schlechtes zu wissen, als gar nichts zu wissen, und im Moment wusste sie wirklich überhaupt nichts.
    Es war sehr merkwürdig, dass sie keins von den anderen Kindern mitgenommen hatten, sondern nur sie. Hannah hatte zwar nicht das Gefühl, dass sie irgendwie Ärger bekommen würde, aber manchmal konnte man das nicht so genau vorhersagen. Der Ärger kam bisweilen wie aus heiterem Himmel, ganz plötzlich, wie eine Ohrfeige.
    Solange Hannah nicht genau wusste, was los war, wurde sie auch das ungute Gefühl in der Magengegend nicht los, aber im Augenblick war es das Beste, still zu sein. Dann
vergaßen sie, dass sie überhaupt da war, und das bedeutete, dass sie sie wenigstens für eine Weile in Ruhe ließen und sie zuhören konnte.
    Die beiden auf den Vordersitzen, Onkel Zadok und Tante Sunshine, waren sehr ernst und sprachen den Goldenen Vers, baten um Schutz und Weisheit und Führung, und außerdem musste das Ganze auch noch GEHEIM sein, sonst hätten sie Hannah nach vorne geholt, um mit ihnen zu beten.
    Zadok hatte die Augen offen – musste er ja, damit er fahren konnte –, aber Sunshine hatte sie geschlossen, und ihr Mund bewegte sich. Hannah wusste, dass sie jetzt in Zungen sprach, aber das war langweilig, darum hörte sie nur halb hin.
    Sie hatte den hinteren Teil des Kleinbusses ganz für sich alleine, und das war ein tolles Gefühl – fast so toll wie damals, als sie ein richtiges Geburtstagsgeschenk bekommen hatte. Und da Zadok und Sunshine zu beschäftigt waren, um sie für ihre Faulenzerei zu tadeln, verbrachte Hannah die gestohlenen Augenblicke damit, zum Fenster hinauszustarren, während ihre Gedanken sich auf eine lange, lange Reise begaben, in die verbotene und verborgene Welt ihrer Tagträume, die die Zeit wie im Flug vergehen und alles besser werden ließen. Und dann machte der Bus eine Kurve, und sie wurde gegen die Tür gedrückt und war wieder zurück.
    Sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war oder wie lange sie fantasiert hatte, darum zog ihr Magen sich ängstlich zusammen. Ein solcher Ungehorsam würde ihr garantiert Ärger bescheren.
    Doch Zadok und Sunshine hatten gar nicht gemerkt, dass sie geträumt hatte, und Hannah wurde wieder ruhiger.
Sie erkannte das Haus, vor dem sie standen. Es war irgendwo im Geschäftsviertel, nicht allzu weit vom Hafen entfernt. Hier kamen sie manchmal her, um in den Büros Geld zu sammeln.
    Sunshine hatte die Augen wieder aufgeschlagen und machte einen etwas entspannteren Eindruck. Das war gut. Entspannte Erwachsene hatten bessere Laune, und das bedeutete meistens auch weniger Ärger. Vielleicht hatten die Geister ein paar gute Dinge angekündigt, obwohl Hannah das Gefühl hatte, dass die Geisterworte immer ziemlich vage waren. Und jedes Mal, wenn eine Vorhersage nicht eintraf, gab es irgendeine Ausrede, die die Erwachsenen dann gerne glaubten. Mal ganz ehrlich, was hatte es denn für einen Sinn, dass die Toten sprechen konnten, wenn auf ihre Worte kein Verlass war?
    Sunshine redete gerade mit Zadok. Dieses Mal waren es richtige Wörter, keine Zungenrede, also richtete Hannah den Blick auf das Buch der Unterweisungen in ihrem Schoß und die Ohren nach vorne. Sie konnte nur Bruchstücke erfassen. Der Wille des Herrn. Kleines Päckchen. Vereinigte Staaten. PROPHET wird hocherfreut sein. Nur ein paarmal im Jahr.
    Das alles ergab keinen richtigen Sinn, aber Hannah konnte versuchen zu raten. Das war das Gute daran, wenn man leise war und zuhörte, wenn sie einen vergaßen – man konnte etwas erfahren.
    Es hatte schon einmal so einen Ausflug wie diesen hier gegeben, irgendwann im Spätsommer, kurz bevor Tante Sunshine zwei Wochen lang verreist war. Bei diesem
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