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Miss Sophie, Sie können mir vertrauen

Miss Sophie, Sie können mir vertrauen

Titel: Miss Sophie, Sie können mir vertrauen
Autoren: Elizabeth Rolls
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zitterte sie erneut.
    Zweifellos war der Mann ein Durchreisender gewesen, den sie nie wieder zu Gesicht bekam, und je eher sie aufhörte, an ihn zu denken, umso besser. Und selbst wenn sie ihn wiedersehen sollte, würde er sich vermutlich nicht an sie erinnern. Falls er sich doch an sie erinnerte, geschah das zweifellos in Verbindung mit ihrem schockierenden Temperamentsausbruch.
    Sie war fast sicher, dass sein Gesicht ihr eigenartig bekannt vorgekommen war. Ganz sicher war sie jedoch, dass sie ihn noch nie getroffen hatte.
    Die Tür wurde geöffnet, und Sophie sah Miss Andrews, ihre ältliche Gesellschafterin, und ihrer beider Zofe Anna ins Zimmer kommen. Miss Andrews sah aus, als würde sie gleich der Schlag treffen. Anna wiederum sah ziemlich verärgert aus.
    “Oje! Was hat Kit dieses Mal angestellt?”, fragte Sophie resigniert.
    “Er ist nirgendwo zu finden, Miss Sophie”, verkündete Anna. “Wir haben ihn überall gesucht.”
    “Überall?”
    “Ja, Miss Sophie. Er ist verschwunden.”
    “Es tut mir wirklich leid, meine Liebe”, sagte Miss Andrews. “Ich habe ihn nur einen Augenblick lang allein gelassen, um das Lateinbuch zu holen. Und ich habe ihn mir versprechen lassen, er werde nicht weglaufen.”
    “Aber er ist weggelaufen?” Sophie war schockiert.
    “Nun, ja”, antwortete Miss Andrews. “Er hat aber seine Schulbücher mitgenommen.” Irgendwie fand sie, dass diese Tatsache das Vergehen etwas minderte.
    “Die kleine Nervensäge!”, äußerte Sophie indigniert und seufzte. “Also gut. Ich werde ihn suchen. Wieder einmal!” In dieser Woche war ihr verwaister zehnjähriger Neffe Kit schon zum dritten Mal aus dem Französischunterricht verschwunden. Steif erhob sie sich und unterdrückte einen Fluch. Sie hatte den Zwischenfall mit der Kutsche nicht erwähnt, weil sie eine angeborene Abneigung davor hatte, verhätschelt zu werden. Und was das verschmutzte Kleid betraf, so hatte sie gesagt, eine vorbeifahrende Kutsche habe sie mit Dreck bespritzt. “Ich werde zum Fluss gehen. Zweifellos angelt Kit dort Forellen. Ich habe den Eindruck, dass hinter seinen Eskapaden mehr steckt als nur jugendlicher Freiheitsdrang. Er scheint sie nicht zu genießen. Als ich ihn das letzte Mal erwischt habe, sah er eindeutig betrübt aus, noch ehe er mich bemerkt hatte.”
    Fünf Minuten später überquerte Sophie in Hut, Mantel und Leinenstiefeletten die hinter dem Haus gelegene Wiese und überlegte dabei, warum Kit seine Ausflüge nicht zu genießen schien. Die einzige Erklärung, die ihr in den Sinn kam, war der Tod ihrer Schwester. In den seither vergangenen sechs Monaten war Kit natürlich sehr traurig gewesen, hatte jedoch den Anschein erweckt, den Kummer zu verwinden. Jetzt schwänzte er dauernd den Unterricht und lehnte sich sogar gegen seine Tante auf. Oh, er gehorchte ihr, aber sie hatte den Eindruck, dass er das nur widerstrebend tat.
    Sie wusste nicht, was hinter seinem Verhalten steckte. Er wollte nicht mit ihr darüber reden und wurde verstockt, wenn sie mit ihm über sein Benehmen zu sprechen versuchte. Sie musste ihm Zeit lassen. Für ein Kind war es schwer, die Mutter zu verlieren. Auch Sophie vermisste ihre Schwester Emma sehr. Selbst dann, als sie ihrem Mann in den Krieg gefolgt war, hatte sie regelmäßig geschrieben und Sophie alle Abenteuer berichtet. Jetzt war sie nicht mehr da. In der nächsten Woche hätte sie Geburtstag gehabt.
    Natürlich dachte Kit an diesen Tag. Kein Wunder, dass er sich so elend fühlte. Oje! Sophie fragte sich, was in aller Welt sie tun könnte, während sie an der Hecke entlangging. An der Ecke erreichte sie eine kleine Öffnung, die groß genug war, um sich hindurchzuzwängen. Nun, zumindest wusste sie jetzt, was Kit belastete, sodass sie etwas dagegen unternehmen konnte.
    Beschwingt schritt sie aus und folgte dem Flusslauf. Sie befand sich auf dem Land des früheren Viscount Helford, von dem sie das Haus, das sie mit ihren Schützlingen bewohnte, gemietet hatte. Er hatte ihr gestattet, über sein Land zu gehen. Er war ein freundlicher Mensch mit grünen Augen und schwarzem Haar gewesen. Grüne Augen? Schwarzes Haar? Großer Gott! Jetzt wusste sie, warum das Gesicht des Reisenden ihr so bekannt vorgekommen war. Er sah genau wie sein Bruder aus. Nun, nicht ganz genau. Der vorherige Lord Helford hatte nicht diese verwegene Ausstrahlung gehabt und auch nicht das beeindruckend gute Aussehen. Aber die Ähnlichkeit war nicht zu übersehen.
    Du lieber Himmel! Sophie hatte
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