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Miss Seeton kanns nicht lassen

Miss Seeton kanns nicht lassen

Titel: Miss Seeton kanns nicht lassen
Autoren: Heron Carvic
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ist ihr auf die Schliche gekommen, daraufhin ist sie schleunigst nach hier abgedampft, und nun sind sie hinter ihr her und haben sie verhaftet. Sonnenklar. War übrigens auch höchste Zeit, wenn man bedenkt, was sie gestern hier angestellt hat – schubst die kleine Effie Goffer vom Kantstein runter, direkt auf die Straße! Um ein Haar wäre sie überfahren worden. Und der Wagen, der ist einfach weitergefahren, ohne anzuhalten. Unerhört, diese rücksichtslosen Fahrer von heute, so was müßte verboten werden! Und Miss Seeton sollte sich was schämen.«
    Eine kleine Welle der Erregung lief durch die anderen Kunden der Poststelle, die sich unauffällig näher schoben, um ja keins der erleuchteten Worte zu verlieren. Doch jetzt hatte auch die Opposition ihren Führer vorgeschickt in Gestalt von Miss Treeves, die wenige Schritte hinter den beiden Damen stehenblieb.
    »Guten Morgen, Miss Nuttel. Morgen, Mrs. Blaine.« Norah Blaine fuhr zusammen und ließ um ein Haar die Dose fallen. Die Zuhörer hielten sämtlich den Atem an. Mrs. Blaine wandte sich um, lächelte der Schwester des Pfarrers zu und ging sofort zum Angriff über:
    »Oh – guten Morgen, Miss Treeves. Vielleicht wissen Sie etwas Näheres? Wir sprechen gerade…«
    »Über Miss Seeton?« Der Ton klang streng. »Das habe ich gehört.«
    Mr. Stillman, der Poststellenleiter, trat mit der abgewogenen Apfeltüte heran und lenkte vom Thema ab. »Darf’s sonst noch etwas sein?«
    Nachdenklich runzelte Miss Nuttel die Stirn. »Ich glaube nicht. Brauchst du noch etwas, Bunny?«
    »Ja, vielleicht das hier – « Mrs. Blaine hielt die Dose mit den imitierten Fleischklößen in die Höhe. »Sie wissen ja, wir essen niemals Fleisch – was ist hier wohl drin?«
    Mr. Stillman schätzte Miss Seeton. Er hatte zwar noch keine Gelegenheit gehabt, sie näher kennenzulernen, aber was er von ihr gesehen hatte, gefiel ihm. Sie war freundlich und unauffällig, immer höflich und rücksichtsvoll, und sie bezahlte stets sofort, was man keineswegs von allen Kunden sagen konnte. Er sah die beiden Damen ausdruckslos an und sagte:
    »Klößchen aus Ziegenkäse.«
    Alle Zuhörerinnen ließen erfreut und hörbar den angehaltenen Atem entweichen.
    Mrs. Blaine, ohne Ahnung von ihrem Spottnamen, beschloß: »Gut, die nehmen wir.« Sie ergriff ihre Einkäufe, schob sie in den Beutel, trat vom Ladentisch zurück, blickte Miss Treeves an und sagte: »Aber Sie müssen doch zugeben, die Sache sieht komisch aus, nicht? Heute morgen um halb zehn haben wir rein zufällig gesehen, wie sie zu Miss Seeton hineingingen – ich stand gerade am Fenster und schüttelte das Staubtuch aus –, da war aber die Polizei schon bei ihr drinnen.«
    »Sie wissen vielleicht auch nicht mehr als wir«, meinte Miss Nuttel süß.
    »Rein zufällig weiß ich doch etwas mehr«, erwiderte Miss Treeves und dachte: schade, daß es nicht stimmt. Aber für eine gute Sache zu lügen, das zählte nicht als Lüge, es war – na ja, legitime Erfindung. »Der Superintendent von Scotland Yard wollte nämlich Miss Seeton um Hilfe bitten.«
    »Genau das sagten wir gerade«, rief Mrs. Blaine zustimmend.
    »Hilfe bei der Untersuchung«, schloß Miss Nuttel.
    Nach dem ungeschriebenen Gesetz des Dorfes war Miss Treeves’ Ordnungsruf damit durchgefallen; einen Erfolg hatte jedoch der Unabhängige – Mr. Stillman – erzielt. Süß lächelnd neigten die beiden Damen das Haupt und verließen den Laden, um ihre Mission auf der anderen Straßenseite fortzusetzen.

2
    Das Leben auf dem Lande bietet gewisse Vorteile, die simpel und einleuchtend sind. Zum Beispiel ist es unmöglich, sich in einem Dorf zu verlaufen, das nur über eine einzige Straße verfügt. Andererseits sind aber die Wege, die vom Norden über Ashford oder Brettenden nach Plummergen führen, nicht sehr übersichtlich, und der Weg aus dem Dorf hinaus ist sogar schwierig zu finden. Die einzige Straße – gerade, breit und baumbestanden – verläuft direkt von Norden nach Süden und müßte von Rechts wegen am südlichen Ende aufhören. Hinter der gekiesten Einfahrt zum George and Dragon führt links ein Weg zum Friedhof. Auf der anderen Straßenseite verbirgt sich hinter dem Garten neben der Bäckerei eine Abzweigung nach rechts: Marsh Road mit einem Wegweiser, der nach Rye zeigt, aber keine Entfernung angibt – offensichtlich ein Einfall der Gemeinde, den nur die nächsten Anwohner zu schätzen wissen. Man kann zwar mit Hilfe von Karte oder Kompaß die gewundene Straße
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