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Miss Seeton kanns nicht lassen

Miss Seeton kanns nicht lassen

Titel: Miss Seeton kanns nicht lassen
Autoren: Heron Carvic
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davon abhängen, wie lange die Sache mit ihrem Anwalt dauert.«
    »Mit ihrem Anwalt?« wiederholte Martha erstaunt. »Ich dachte, das wäre alles längst erledigt. Der Mann ist doch selber erledigt, oder? Er sitzt im Knast.«
    »Ja, ja, natürlich.« Miss Treeves’ Stimme klang leicht ungeduldig. »Das stimmt schon – aber es hängt irgendwie zusammen mit den anderen Leuten, die er damals betrogen hat. Ich weiß die Einzelheiten auch nicht, aber die Polizei hofft jedenfalls, daß Miss Seeton da ein paar Angaben machen kann.«
    »Das wundert mich aber. Sie kannte ihn ja kaum und mochte ihn nicht. Die Polizeileute wollten immer ihre Bilder sehen, und ich dachte sicher, deshalb wären sie auch hergekommen – damit sie ihnen eine Zeichnung macht.«
    »Nein, nein, keine Spur«, wehrte Miss Treeves ab. »Es hängt mit der Betrugsaffäre von damals zusammen. Jetzt muß ich aber schleunigst rüber, sonst wird mein Essen überhaupt nicht mehr fertig.« Sie wandte sich zum Gehen, drehte sich aber noch einmal um. »Was ich noch sagen wollte, Martha – Miss Nuttel und Mrs. Blaine redeten vorhin so törichtes Zeug… Wenn Sie also jemand fragt, sagen Sie am besten, es geht um den Betrugsfall von damals, damit alle Bescheid wissen. Wenn nämlich die gräßliche kleine Goffer erst ihre Lügengeschichten verbreitet, glauben die Leute sonst noch Gott weiß was.«
    »Die Leute glauben auch alles.« Lady Colveden schenkte sich noch eine Tasse Tee ein. »Absolut alles.«
    Großstädter wundern sich oft über die Verhältnisse in einer Landgemeinde. In der Stadt lebte der einzelne unbehelligt, wenn er nichts Auffallendes unternimmt. In einem Dorfe sind jedermanns Handlungen, auffallend oder nicht, von Interesse für die Allgemeinheit und werden auch stets der gleichen Prüfung und eingehenden Analyse unterzogen.
    Die Häuser am Anfang der Marsh Road sind alle etwas zurückgesetzt, jedes hat eine baumbestandene Einfahrt. Für den Städter ist daher jedes Haus wortwörtlich ein Privathaus. Private Zurückgezogenheit jedoch – in der Stadt eine Selbstverständlichkeit – gibt es in einer kleinen Gemeinde nicht.
    Major General Sir George Colveden, Knight Commander of the Order of the Bath, Distinguished Service Order, Friedensrichter und Eigentümer des letzten Grundstücks in der Marsh Road, hatte kürzlich eine Nachbarin, eine etwa sechzigjährige Witwe, in seinem Garten angetroffen, wo sie mit der Axt auf eine Zypresse einschlug. Als er sie an Weiterem hinderte, legte sie Beschwerde beim Gemeinderat ein. Mit Hilfe des Feldstechers, der ihrem verstorbenen Mann gehört hatte und den sie dem Amtsrichter zur Verfügung stellte, bewies sie die Berechtigung ihrer Klage oder glaubte sie zumindest zu beweisen. Der Baum war allmählich so hoch gewachsen, daß er ihr die Aussicht auf die Schlafzimmerfenster von Rytham-Hall versperrte; sie konnte jetzt nicht mehr feststellen, wann Lady Colveden abends ihr Licht löschte oder wann sie morgens die Vorhänge aufzog. Lady Colveden hatte nach diesem Vorfall noch tagelang unruhig zum Himmel aufgeblickt in der Furcht, die Dame könnte sich einen Ballon oder Hubschrauber gechartert haben, um ihre natürliche Wißbegier nach dem Privatleben ihrer Nachbarin zu befriedigen.
    »Ich hab’ Martha heute morgen gleich gesagt«, Lady Colveden streifte mit einem vielsagenden Blick den leeren Kuchenteller, »wenn sie sich die Zeit nimmt, Krapfen zu backen, wirst du dir bloß den Magen verderben. Wo läßt du es bloß alles, Junge? Ich gehe schon nach einem einzigen auseinander – du kannst drei runterschlingen, und man sieht dir nichts an. Ungerecht.« Sie kam auf ihr Thema zurück und wiederholte: »Ja – absolut alles.«
    »Meine Schilddrüse und ich, wir leisten eben schwere Arbeit«, sagte ihr Sohn. »Heute nachmittag haben wir das Viermorgenfeld eingesät und dann noch eine halbe Stunde damit verschwendet, den Traktor auseinanderzunehmen, weil der Motor versagte. Wieso alles?« erkundigte er sich. »Was zum Beispiel?«
    »Ich meine die arme Miss Seeton. Hat man je etwas so Lächerliches gehört? Übrigens nenne ich Traktorfahren keine Schwerarbeit. Ich erinnere mich noch gut an die Zeit, als man noch mit Pferd und Pflug über die Äcker zog.«
    »Stimmt nicht, Mutter. Das war vor deiner Zeit.«
    »Dann hab’ ich eben davon gelesen; kommt ganz auf dasselbe hinaus, und sie schmecken auch viel besser.«
    »Wer? Die Pferde?«
    »Nun werd’ mal nicht frech, mein Junge. Aber es ist wirklich gemein – die
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