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Miss Pettigrews grosser Tag

Titel: Miss Pettigrews grosser Tag
Autoren: Winifred Watson
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Offenbar war es ihm gleichgültig, ob Miss Pettigrew dabei zusah oder nicht. Wie hätte es ihm auch nicht gleichgültig sein sollen. Miss Pettigrew ließ sich auf den nächstbesten Stuhl fallen.
    »Liebe Güte!« Das war zu viel für ihr jungfräuliches Gemüt. »Küsse... vor mir. Solch … solch glühende Küsse. Das ziemt sich nicht. Ganz und gar nicht.«
    Doch gleich darauf machte ihr verräterisches weibliches Herz eine Kehrtwendung und registrierte wohlwollend
den vollmundigen Genuss, den sie aus Miss LaFosses Gesicht ablas. Und obwohl das Feuer, mit dem Miss LaFosse seine Küsse erwidert hatte, ihm offensichtlich ein wenig in den Kopf gestiegen war, vergaß Phil als wohlerzogener Mensch nicht, sich auch von der unbekannten Besucherin zu verabschieden.
    Ein letzter Kuss für Miss LaFosse, ein letztes Wort für Miss Pettigrew, und fort war er.

ZWEITES KAPITEL
    11:11 – 11:35
     
     
    K aum war die Tür hinter Phil ins Schloss gefallen, verflog Miss Pettigrews Hochstimmung. Aus war es mit Abenteuer, Romantik und Frohsinn. Mit einem Mal fühlte sie sich wieder so ausgelaugt, untüchtig und nervenschwach wie zuvor. Sie hatte einen flüchtigen Blick auf die Welt der romantischen Liebe werfen dürfen, doch ihrem eigenen Leben war dergleichen nicht beschieden. Erneut ergriffen die praktischen, beängstigenden Alltagsbelange Besitz von ihren Gedanken. Sie bewarb sich um eine Stellung, Miss LaFosse mochte diejenige sein, die sie in Stellung nahm. Sie würde niemals erfahren, wer Phil war, wie sein Nachname lautete und warum Miss LaFosse ihn so dringend aus der Wohnung haben wollte, wenn sie sich andererseits seine Küsse doch so offensichtlich gefallen ließ.
    Mit bebenden Fingern strich sie sich eine widerspenstige Strähne aus der Stirn und wappnete sich für das unvermeidliche Martyrium, das ihre unzulänglichen Fähigkeiten zutage fördern würde.
    »Bezüglich …«, begann Miss Pettigrew mit forcierter Bestimmtheit.
    Miss LaFosse stürzte sich auf sie und ergriff sie bei den Händen.
    »Sie haben mir das Leben gerettet. Wie kann ich Ihnen
jemals dafür danken! Sie haben mir mehr als nur das Leben gerettet, Sie haben eine mehr als schwierige Situation gemeistert. Ohne Sie wäre ich verloren gewesen. Nie im Leben hätte ich den Kerl aus eigener Kraft hinausbefördert. Wie kann ich das nur je wiedergutmachen.«
    Miss Pettigrew fiel das mahnende Sprichwort »Man muss die Gunst der Stunde nutzen« ein. Sie kratzte all ihren Mut zusammen und sagte matt:
    »Das könnten Sie schon …«
    Miss LaFosse hörte nicht auf sie. Sie setzte zu einer dringlichen, dramatischen Frage an, bei der ihr allerdings der Schalk aus den Augen blitzte, was wohl besagen sollte, dass Miss LaFosse sich für einen hoffnungslosen Fall hielt, aber hoffte, Miss Pettigrew werde es mit Fassung tragen.
    »Flattert Ihr Puls?«, fragte Miss LaFosse. »Haben Sie scharfe Augen?«
    Miss Pettigrews Puls flatterte allerdings, doch sie dachte: »Auf eine Lüge mehr oder weniger kommt es heute auch nicht mehr an.«
    »Mein Puls flattert nicht«, sagte Miss Pettigrew. »Und ich habe Augen wie ein Adler.«
    »Oh!«, rief Miss LaFosse zutiefst erleichtert. »Ich wusste, dass Sie von der ruhigen Sorte sind. Ich bin es nämlich nicht, und ich weiß , dass ich viel zu durcheinander bin, um klar zu sehen. Sie wissen doch, wie es in Kriminalromanen immer zugeht. Man hat alles weggeräumt, oder glaubt es zumindest, und dann schnüffeln die Polizisten herum und entdecken eine Pfeife oder untersuchen ein Häufchen Asche und stellen fest, dass es Zigarrenasche ist, und dann heißt es, aha, seit wann rauchen Sie Zigarren, Miss? Und schon ist man erledigt.«
    »Ich verstehe«, sagte Miss Pettigrew, die kein Wort verstand und vor ihrem inneren Auge Heerscharen von Polizisten,
Inspektoren und Kriminalkommissaren über Miss LaFosses Wohnung herfallen sah.
    »Nein, wie sollten Sie! Ich schulde Ihnen eine Erklärung. Nick kommt heute Vormittag her. Ich bin mir jedenfalls absolut sicher, dass er herkommt und vorhat, mich auf frischer Tat zu ertappen. Er ist entsetzlich eifersüchtig.«
    Sie brachte dies in einem Ton vor, der besagte: »So, nun wissen Sie alles, und ich bin Ihnen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert, aber ich weiß, dass Sie mich nicht im Stich lassen werden.«
    Miss Pettigrew trieb hilflos in unbekannten Gewässern und mühte sich tapfer, nicht unterzugehen.
    »Sie meinen, ein weiterer junger Mann kommt heute Morgen her?«, fragte sie kaum vernehmlich.
    »So ist
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