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Miss Pettigrews grosser Tag

Titel: Miss Pettigrews grosser Tag
Autoren: Winifred Watson
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und erwartete todesmutig und zu Tode verängstigt, auf der Stelle fortgewiesen zu werden.
    Der junge Mann musterte sie freundlich und ohne die leiseste Überraschung.
    »Morgen.«
    »Guten Morgen«, erwiderte Miss Pettigrew.
    Ihr war so flau, dass sie sich mir nichts, dir nichts, auf einen Stuhl fallen ließ.
    »Hat sie Sie auch aus dem Bett gejagt?«
    »Nein«, sagte Miss Pettigrew.
    »Erstaunlich. So früh auf den Beinen und schon vollständig bekleidet?«
    »Es ist dreizehn Minuten nach zehn«, merkte Miss Pettigrew ernst an.
    »Ach was. Die ganze Nacht unterwegs. Halte ja eigentlich auch nichts von diesen endlosen Sauftouren. Geht
doch nichts über eine gute Mütze Schlaf. Bin den ganzen Tag wie tot, wenn ich die nicht kriege.«
    »Ich war nicht die ganze Nacht unterwegs«, sagte Miss Pettigrew mit einem Anflug von Verwirrung.
    »Ich hab Frauen schon immer bewundert.«
    Miss Pettigrew streckte die Waffen. Einem solchen Feuerwerk an Konversationskunst war sie nicht gewachsen. Sie starrte ihr Gegenüber an: ein adretter, gepflegter, flotter junger Mensch mit glänzenden braunen Augen und dunklem Haar. Er hatte eine markante Nase, volle Lippen und die Ausstrahlung eines Mannes, der sich nicht an der Nase herumführen ließ, andererseits aber auch die Liebenswürdigkeit in Person sein konnte, sofern man ihn liebenswürdig behandelte.
    Er warf beiläufig hin: »Schön und gut, wenn du es eilig hast und dich mit Orangensaft zufriedengibst, aber ich für mein Teil habe Hunger. Ich brauche ein Frühstück.«
    »Frühstück?«, japste Miss LaFosse. »Frühstück! Du weißt doch, dass meine Haushälterin auf und davon ist. Ich kann nicht kochen. Ich kann absolut nichts kochen, außer einem gekochten Ei.«
    »Ich hasse gekochte Eier.«
    Miss LaFosses Blick zuckte zu Miss Pettigrew. Ihre Miene wurde beschwörend, ja flehentlich.
    »Können Sie kochen?«
    Miss Pettigrew erhob sich.
    »Als ich noch ein junges Ding war«, verkündete sie, »sagte mein Vater immer, nach meiner lieben Mutter sei ich die beste Hausmannsköchin, die er kenne.«
    Miss LaFosse strahlte vor Freude.
    »Ich wusste es. Sowie ich Sie gesehen habe, wusste ich, dass auf Sie Verlass ist. Im Gegensatz zu mir. Ich bin zu gar nichts nutze. Zur Küche geht es durch die Tür da. Dort
finden Sie alles. Aber beeilen Sie sich. Bitte beeilen Sie sich.«
    Gleichermaßen geschmeichelt, verwirrt und aufgewühlt begab sich Miss Pettigrew in die ihr gewiesene Richtung. Ihres Wissens gehörte sie durchaus nicht zu den Menschen, auf die Verlass war. Aber vielleicht lag das ja auch nur daran, dass bisher stets jedermann von ihrer Unzulänglichkeit überzeugt gewesen war. Wer wusste schon, zu welchen Höchstleistungen sich ein Mensch aufschwingen konnte? Mit hochgerecktem Kinn, blitzenden Augen und klopfendem Herzen betrat Miss Pettigrew die Küche. Auch von dort war Miss LaFosses Stimme deutlich zu hören.
    »Jetzt geh schon, Phil, rasier dich und zieh dich an. Bis du fertig bist, ist das Frühstück so weit. Ich decke den Tisch.«
    Miss Pettigrew sah sich in der Küche um. Alles war hochmodern: gekachelte Wände, Kühlschrank, ein Elektroherd, die Speisekammer bis zum Bersten gefüllt, aber: »Lieber Himmel, was für eine Unordnung!«, dachte Miss Pettigrew. »Und ja, was für ein Schmutz. Wer immer hier das Regiment geführt hat, war eine … eine Schlampe.«
    Sie legte Mantel und Hut ab und machte sich ans Werk. Schon bald duftete es himmlisch nach Kaffee und gebratenem Schinken mit Spiegelei. Sie entdeckte einen Toaster und setzte ihn in Gang. Dann ging sie zurück ins Wohnzimmer.
    »Es ist alles bereit, Miss LaFosse.«
    Miss LaFosse dankte ihr mit einem strahlenden Lächeln. Unterdessen hatte sie sich gekämmt, die Lippen rot geschminkt und eine zarte Schicht rosigen Puders aufgetragen. Sie trug noch immer das hinreißende Seidennegligee, in dem sie so atemberaubend aussah, dass Miss Pettigrew dachte: »Kein Wunder, dass Phil sie gern wieder bei sich im Bett gehabt hätte.« Im nächsten Moment wurde sie schamrot
vor Entsetzen darüber, dass ein solcher Gedanke auch nur an die Pforten ihres jungfräulichen Gemüts hatte rühren können. Doch dann dachte sie: » Miss LaFosse.« Wie konnte das sein?
    »Was denn«, sagte Miss LaFosse besorgt. »Sie sind ja ganz rot im Gesicht. Das kommt vom Kochen. Ich weiß schon, warum ich diese Kunst nie erlernt habe. Sie ruiniert einem schlichtweg den Teint. Es tut mir schrecklich leid.«
    »Halb so schlimm«, sagte Miss Pettigrew
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