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Miss Mary und das geheime Dokument

Titel: Miss Mary und das geheime Dokument
Autoren: Rose Melikan Stephanie Kramer
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menschenleeren Straßen von Newmarket laufen, weil alle fort waren, um Swiftsure und Arabian Prince zuzuschauen.
    »Pardon«, sagte sie und sah dabei ihre drei Mitreisenden an, »aber könnte mir einer von Ihnen den Namen des Gasthofs nennen, wo wir in Newmarket haltmachen werden? Ich muss dort nämlich in die Kutsche nach Suffolk umsteigen.«
    Ihre Worte stießen auf großes Erstaunen. Genauso gut hätte sie eine Fahrt auf den Mond ankündigen können. »Nach Suffolk, Miss?«, rief einer der Männer aus. Sein ausgeprägter Adamsapfel bewegte sich dabei heftig auf und ab. »Aber da sind doch die Franzmänner! Die werden Sie einen Kopf kürzer machen.«
    Mary verschlug es die Sprache, und sie starrte ihn schockiert an, während die anderen ihn als verfluchten Dummkopf verspotteten. Die Franzosen waren natürlich nicht in Suffolk - so etwas Verängstigendes sagte man doch nicht zu einer jungen Dame. Er solle sich schämen. Sie könnten nun allerdings jeden Tag kommen, da Suffolk geografisch gesehen ja viel näher an Frankreich liegt. Es war ein gefährlicher Ort, so viel stand fest, wo doch Krieg herrschte. War sie sich sicher, dass sie dorthin wollte?
    Zunächst schauten sie sie an, als ob sie ihr ein anderes Ziel vorschlagen wollten, da Mary jedoch ihre Absicht bekräftigte, schüttelten sie den Kopf, schürzten die Lippen und ließen ab von weiteren Warnungen. Mary war allerdings weit weniger überzeugt, als sie sich anhörte. War ihre Reise wirklich so gefährlich? Über den Krieg wusste sie nicht viel, nur dass er begonnen hatte, weil die Franzosen ihren König aufs Schafott gebracht hatten - und das alleine war schon eine ziemlich grässliche Vorstellung. Wenn diese Franzosen nun jeden Tag in England einfallen konnten, war der Gedanke an einen Sitz in der Kutsche nach Suffolk noch schlimmer, als gar keinen Platz zu bekommen!
    So entstieg sie in Newmarket beim Wirtshaus White Heart angstvoll der Kutsche, aber ihre Besorgnis erwies sich bald als unnötig. In der gemütlichen Gaststube erhielt sie die beruhigende Nachricht, dass die Kutsche nach Ipswich nicht ausgebucht sei und man sie in Kürze erwarte. Weitere beunruhigende Prophezeiungen einer unmittelbar bevorstehenden französischen Invasion blieben ebenfalls aus. Niemand schien ihre Reise in irgendeiner Weise für unbesonnen zu halten. Mary beobachtete dabei genau den Gesichtsausdruck der anderen, für den Fall, dass sie die Gefahr zu verschweigen suchten, um so an ihr Geld zu gelangen. Eine so gemeine Absicht konnte sie aber nicht erkennen, und als sie gewahrte, dass sie ihre Reise vernünftig würde fortsetzen können, durchströmte sie ein wohliger Schauer. Ihre Erleichterung war so groß, dass sie leichtsinnig wurde und eine Tasse Tee mitsamt einem Muffin orderte.
    Wie schon im Eagle herrschte auch im White Heart ein geschäftiges Treiben. Vom Muffin, ihrem Sitz am Feuer und der Gewissheit eines Platzes in der Kutsche gestärkt, beobachtete Mary das Kommen und Gehen um sie herum jedoch mit Gelassenheit. Alle sprachen über das Ereignis des Tages, und sie hörte eine Menge über die beiden Pferde, ihre Jockeys und darüber, was wohl passiert wäre, wenn ein drittes Pferd namens Blue Moon auch mit dabei gewesen wäre. An der großen weißen Uhr, die an der gegenüberliegenden Wand hing, konnte sie sehen, wie die Zeit verstrich. Um Viertel nach zehn verkündete der Wirt, die Kutsche nach Ipswich sei aufgrund des Verkehrs angesichts des Rennens in Cambridge aufgehalten worden. »Keine Sorge, Miss«, beruhigte er sie, »spätestens um halb elf kommen Sie hier weg. Das hier is noch gar nix. Wenn es ein großes Rennen gibt, wird man häufig stundenlang aufgehalten.«
    »Wer wird Ihrer Meinung nach denn siegen?«, wagte Mary zu fragen. Der Rennjargon hatte ihr Interesse geweckt, wenngleich sie nicht wusste, ob ein »weit ausgreifender Galopp« einem »Trappelgang« vorzuziehen war. Beide Gangarten schienen sehr wünschenswert zu sein.
    »Na ja«, überlegte der Wirt mit zur Seite geneigtem Kopf, »wenn ich ein Spieler wär, was ich aber nich bin, würd ich nich sagen, dass ich von Swiftsure nich angetan wär. Deshalb hat hier jeder Mumm, der nich auf Lord Seymour wettet.«
    »Stimmt es, dass Arabian Prince viel kleiner als Swiftsure ist? Das ist doch nicht fair, wenn er gegen ein größeres Pferd antreten muss. Bekommt er denn einen Vorsprung?«
    »Nein, Miss«, sagte der Wirt schmunzelnd. »Keine Sorge. Prince is vielleicht klein, aber er is mutig, sehen Sie das
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