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Miss Mary und das geheime Dokument

Titel: Miss Mary und das geheime Dokument
Autoren: Rose Melikan Stephanie Kramer
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musste. Als sie wieder losließ, waren ihre Hände vom verschütteten Bier ganz klebrig. Warum waren alle nur so außer sich, dass sie sie anrempelten und herumschrien? Einige der Männer hinter ihr waren fast wütend, dabei dauerte es doch noch ein paar Stunden, bis das Wettrennen beginnen sollte.
    »Die Postkutsche wird die Kutsche nach Newmarket überholen. Moment mal, Sir. Ich rede grad mit der jungen Lady. Dort können Sie umsteigen, Miss, und weiter nach Ipswich fahren!«
    »Dann muss ich das wohl so machen. Ab Newmarket wird es doch hoffentlich Plätze geben, nicht wahr?«
    »Darauf können Sie wetten«, sagte der Wirt. »Nur wegen des Pferderennens sind hier so viele Menschen. Hi, Bill! Hier is die Letzte für den True Blue! Sag Jeb, seine Kutsche ist voll! Machen Sie sich besser gleich auf den Weg in den Hof, Miss. Jeb Miller is die Pünktlichkeit in Person.«
    Mary zog ihren Geldbeutel aus der Manteltasche, öffnete ihn und rechnete schon fast damit, jemand würde ihn ihr entreißen, noch bevor sie das Fahrgeld entnehmen konnte, und legte es dann geschwind auf den Tresen. Danach kämpfte sie sich abermals durch die Menge zum Innenhof, wo noch größerer Tumult herrschte, denn hier wurden Gefährte jeglicher Art zur Abfahrt bereit gemacht. Jemand führte die gesattelten Pferde auf und ab, um sie warm zu halten, während ihre Eigentümer sich drinnen eine Erfrischung gönnten. Plötzlich kündigte ein Hornsignal die Londoner Postkutsche an. Die vier vor die Kutsche gespannten Pferde dampften aus allen Poren, zitterten und warfen die Köpfe hin und her, während der Kutscher ob seiner wertvollen Fracht auf der Stelle bedient werden wollte. »Die Post! Platz machen für die Post! Weg mit den Pferden!«
    »Wo haben Sie denn Ihr Gepäck, Miss?«, fragte Bill, ein kräftiger, blondschopfiger Junge.
    »Ich habe keine Ahnung«, musste Mary zugeben, und sie blickte sich besorgt um. »Als ich ankam, sagte einer der anderen Jungen, ich könne meine Tasche bei ihm lassen. Er trug eine Lederschürze.«
    »Keine Sorge, Miss«, meinte Bill daraufhin vergnügt, »das haben Sie ganz richtig gemacht. Wie sieht die Tasche denn aus? Hat sie einen Ledergriff?«
    »Ja, sie hat zwei Griffe. Einer ist locker - kaputt.«
    »Ich helf Ihnen erst mal in die Kutsche, dann hol ich sie Ihnen.«
    »Vielen Dank.«
    »Gerne, Miss«, sagte Bill lächelnd, denn er bekam nicht häufig die Gelegenheit, einer so hübschen jungen Lady behilflich zu sein. Die Feder an ihrem Hut war genauso grün wie ihre Augen. »Was für ein Tag, was, Miss? Wie würd es Ihnen gefallen, der Grund für diesen Trubel zu sein?«
    »Das halte ich für sehr unwahrscheinlich«, entgegnete Mary und lachte. Sie fühlte sich immer noch, als sei sie in einem bedrohlichen Handgemenge gefangen, vermochte dem Ganzen nun aber auch etwas Lustiges abzugewinnen. Das Eagle glich einem aufgeschreckten Ameisenhaufen - es sah chaotisch aus, aber jeder schien genau zu wissen, was er tat. Sie musste einfach darauf vertrauen, dass man sie auf den richtigen Weg schickte.
    »Na, daran ist nur Lord Seymour schuld«, fuhr Bill fort. »Man sagt, der Colonel will seit Monaten, dass Swiftsure gegen Arabian Prince antritt, aber Lord Seymour wollte nix davon wissen. Montag haben sie sich erst geeinigt, und sehen Sie sich die Wetten an! Passen Sie auf, wo Sie hintreten, Miss. Im Hof sieht es heute übel aus.«
    Bill führte sie zu einer blitzblanken blauen Kutsche mit der Aufschrift The True Blue. Cambridge, Newmarket, Thetford, Norwich auf der Seite. Zwischen den Achsen standen glänzende schwarze Pferde. »Da wären wir, Miss. Diese junge Lady ist die Vierte an Bord, Jeb«, verkündete er und nickte der Gestalt im Paletot zu, die neben der Kutsche auf und ab ging.
    Als er Mary sah, tippte der Kutscher an seinen Hut. »Steigen Sie bitte ein, Miss? Dann kann’s losgehen.«
    Mary bestieg die Kutsche, warf einen Blick auf die drei mitreisenden Männer und ließ sich auf den letzten freien Platz gleiten. Man befestigte ihre Tasche, und als Jeb Miller sich auf den Kutschbock hievte, schwankte die Kutsche bedrohlich. Fast gleichzeitig rief der Junge, der die Pferde an den Köpfen festhielt: »Die Pferde sind eingeschirrt!«, worauf Jeb erwiderte: »Lass sie los!« Der Knecht trat beiseite, und der Kutscher trieb sein Gespann an.
    Schon bald bogen sie in die King’s Parade ein, und ihre Reise begann. Auf Reisen sein - wie schön sich das anhörte! Auf Reisen und nicht zurück zur Schule. Während sie
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