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Miss Lily verliert ihr Herz

Miss Lily verliert ihr Herz

Titel: Miss Lily verliert ihr Herz
Autoren: DEB MARLOWE
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ich Sie fast überfahren hätte. Wissen Sie, ich war so unvernünftig, mit Pferden auszufahren, die ein wenig zu temperamentvoll für mich sind.“ Er schaute kurz auf seinen verletzten Arm. „Eigentlich sollte ich Sie um Vergebung bitten. Doch wenn Sie mir lieber danken wollen …“
    Sie lachte. „O ja, ich möchte Ihnen danken.“
    Er sah erstaunt drein. „Dann müssen Sie eine … seltsame junge Dame sein.“
    Als er seinen Blick forschend über ihr Gesicht gleiten ließ, wurde ihr erneut heiß.
    „Offen gesagt, die seltsamen jungen Damen sind die einzigen, die ich überhaupt ertragen kann“, gestand er lächelnd.
    Im Gegensatz zu seinen scherzhaften Worten wirkte sein Lächeln … raubtierhaft. Ja, ein passenderes Wort gab es nicht. „Da stellt sich die Frage“, meinte Lily erstaunt über ihre eigene Schlagfertigkeit, „ob diese jungen Damen Sie ertragen können.“
    „Hm … Vielleicht können Sie mich aufklären?“
    Sie schwieg.
    „Miss? Zu welcher Art von Damen gehören Sie?“
    Ihr wurde abwechselnd heiß und kalt. Was für ein Mensch war sie? Wie lange war es her, dass sie sich diese Frage überhaupt gestellt hatte?
    „Das weiß ich nicht“, gab sie wahrheitsgemäß zurück. „Doch ich denke, es ist an der Zeit, das herauszufinden.“
    Ihre schieferblauen Augen, die eben noch gefunkelt hatten, waren nun wieder überschattet. Der Kummer war zurück. Dabei habe ich mir solche Mühe gegeben, ihn zu ver treiben, dachte Jack. Es fiel ihm in diesem Moment nicht leicht, Konversation zu machen. Die kurze Unterhaltung hatte ihn große Konzentration gekostet. Für eine weniger interessante Frau hätte er diese Anstrengung niemals auf sich genommen.
    Es war schon überraschend genug, dass sie sein Interesse geweckt hatte. Denn in Bezug auf Frauen war er ein Zyniker. In seinen Augen gab es nur zwei Sorten: diejenigen, die für den Preis einer Nacht Gefühle heuchelten, und diejenigen, die die gleichen Gefühle heuchelten, um einen Mann für den Rest seines Lebens an sich zu binden.
    Jack mochte Gefühle nicht besonders. Schon als Kind hatte er begonnen, nur auf seinen Verstand zu vertrauen. Das Wichtigste im Leben waren Logik und Vernunft. Aus diesem Grund verachtete er den gefühlsbetonten Menschen, zu dem er selbst sich während der letzten Wochen entwickelt hatte.
    Natürlich wusste er, dass Gefühle zum Leben gehörten. Er hatte auch nichts gegen Empfindungen wie Verlangen oder Lust. Doch alles, was tiefer ging, war ihm unheimlich. So etwas mochte seinen Platz in der griechischen Tragödie haben. Aber in seinem Dasein hatte es nichts zu suchen. Er stand auf der Seite der Wissenschaft und verabscheute alles, was sich nicht logisch erklären ließ – wie zum Beispiel Gefühle.
    Zu seinem Entsetzen hatte er jedoch seit einiger Zeit feststellen müssen, dass er unfähig war, stets vernünftig zu handeln. Seitdem, so glaubte er, müsse er besonders vor jenen auf der Hut sein, die sich von Emotionen beherrschen ließen. Bei Jupiter, gehörte nicht auch diese junge Frau zu ihnen? Hatte sie mit ihrem Verhalten nicht innerhalb kürzester Zeit die unterschiedlichsten Gefühle zum Ausdruck gebracht? Warum zog sie ihn trotzdem geradezu magisch an?
    Jack unterdrückte einen Fluch. Er wollte wissen, ob diese warmen schieferblauen Augen auch kalt und abweisend blicken konnten. Er wollte herausfinden, ob diese Lippen nicht nur vor Kummer, sondern auch vor Verlangen beben konnten.
    „Mr. Alden …“
    Er fuhr zusammen. Wahrhaftig, von irgendwoher war die Countess of Ashford aufgetaucht. Er verbeugte sich. „Mylady!“
    „… es wundert mich nicht, Sie in einen unerfreulichen Vorfall verwickelt zu sehen“, stellte sie fest. „Doch von Ihnen, Miss Beecham, bin ich enttäuscht.“
    Beecham? Die junge Dame hieß Beecham?
    „Es mag zwei oder drei Gentlemen in London geben, die es wert sind, dass man sich vor ihre Kutsche wirft“, fuhr die Countess fort, „Mr. Alden allerdings gehört nicht dazu.“
    Niemand lachte.
    Ehe das Schweigen allzu unangenehm werden konnte, gab es zum Glück eine neue Ablenkung. Der Wohltätigkeitsbasar schien halb London hergeführt zu haben. Jetzt drängte sich Lady Dayle, Jacks Mutter, durch die Menge. Ohne ihrem jüngsten Sohn auch nur einen Blick zu gönnen, schloss sie Miss Beecham in die Arme wie eine lang vermisste Verwandte. Sie flüsterte Lily sinnlose, aber irgendwie tröstliche Worte ins Ohr, ehe sie sich schließlich umdrehte und in vorwurfsvollem Ton sagte: „Jack Alden, ich
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