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Miss Lily verliert ihr Herz

Miss Lily verliert ihr Herz

Titel: Miss Lily verliert ihr Herz
Autoren: DEB MARLOWE
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nach Portsmouth machen würde. „Bald werde ich Anele und Lilikins wiedersehen!“
    Jack zwang sich zu einem Lächeln. Er wunderte sich, mit welcher Gelassenheit Matthew die Tatsache hinnahm, dass es keinerlei neue Hinweise auf Batistes Aufenthaltsort gab. Der Schiffsbauer schien lediglich erleichtert darüber, dass er die vielen Verhöre durch Vertreter der englischen Behörden und der amerikanischen Botschaft hinter sich gebracht hatte. Er hatte sich dabei von jedem Verdacht befreien können.
    Eines Tages hatte Jack ihn mit Mervyn Latimer bekannt gemacht, der sich gerade ebenfalls in London aufhielt. Sie hatten ein langes Gespräch miteinander geführt. Seitdem schien eine schwere Last von Matthew abgefallen zu sein, und er blickte voller Hoffnung in die Zukunft. Denn Latimer war so beeindruckt von ihm gewesen, dass er ihm eine Arbeitsstelle angeboten hatte. Natürlich hatte Matthew angenommen. Deshalb war er nun auf dem Weg nach Portsmouth. Dort würde er seine neue Stellung antreten und nach einem Haus für sich und seine Gattin suchen. Erst wenn er ihr und dem Baby ein gemütliches Heim bieten konnte, wollte er Anele nachholen.
    „Welch unglaubliches Glück! Ich kann es wirklich kaum fassen“, wiederholte er.
    In diesem Moment blies der Postillion das Horn.
    „Es ist an der Zeit einzusteigen“, stellte Jack fest.
    Matthew drückte ihm die Hand. „Ich danke Ihnen für alles. Auf Wiedersehen, Jack.“
    „Auf Wiedersehen. Grüßen Sie Ihre Gattin von mir, und richten Sie Lily aus, dass ich so bald wie möglich zu ihr komme.“
    „Gern.“ Matthew nickte ihm noch einmal zu und kletterte in die Kutsche, die sogleich losfuhr.
    Wehmütig schaute Jack dem sich entfernenden Gespann noch eine Weile nach. Er sehnte sich nach Lily. Bei Jupiter, nie hätte er erwartet, dass ihm irgendein Mensch jemals so fehlen würde! Die Sehnsucht nach ihr war wie ein körperlicher Schmerz. Aber noch konnte er nicht zu ihr eilen. Noch gab es keine Spur von Batiste.
    Würde der Sklavenhändler je gefasst werden? Und wenn nicht, werde ich dann auf ewig dazu verdammt sein, den Schurken zu jagen?, fragte sich Jack. Würde er dieses Verbrechers wegen auf sein eigenes Glück verzichten? Würde er sich schuldig machen, indem er Lilys Glück im Wege stand?
    Er unterdrückte ein Stöhnen und wandte sich dem Gasthof zu. Ein heißes Getränk oder auch etwas Stärkeres würde ihm guttun.
    Als er sich dem Eingang näherte, bemerkte er einen Mann, der unter dem überhängenden Dach Schutz vor dem Regen gesucht hatte. Zu seiner Verwunderung hielt der Fremde ihm die Tür auf und folgte ihm dann in die Gaststube. Jack suchte sich einen Platz in der Nähe der Theke und musterte den Unbekannten möglichst unauffällig.
    Der Mann musste älter sein als er. Sein dunkles, ungewöhnlich langes Haar wurde im Nacken mit einem Bändchen zusammengehalten. Auch die Kleidung wirkte altmodisch, war aber zweifellos nicht billig gewesen.
    Nach kurzem Zögern trat der Fremde zu Jack an den Tisch und sagte: „Sie werden entschuldigen, dass ich Sie einfach anspreche. Doch ich hatte den Eindruck, Sie könnten einen Drink vertragen. Darf ich mich zu Ihnen setzen? Trinken wir gemeinsam ein Glas?“
    Jack zuckte die Schultern und wies auf einen freien Stuhl.
    Gleich darauf eilte der Wirt herbei, und der Fremde bestellte zwei Krüge Ale.
    Noch ehe das Bier auf dem Tisch stand, fragte er: „War das eben die Kutsche nach Portsmouth?“
    „Ja, Ich hoffe, Sie hatten nicht vor mitzufahren?“
    „Nein, nein. Trotzdem wäre ich froh, wenn ich etwas eher hier eingetroffen wäre.“
    „Sie könnten es morgen noch einmal versuchen“, meinte Jack. Eine große Müdigkeit hatte ihn übermannt, und er gab sich keine Mühe, sich auf das Gespräch zu konzentrieren. „Es ist eine tägliche Verbindung.“
    „Nun, ich will nicht nach Portsmouth. Sie hingegen haben der Kutsche so sehnsüchtig hinterhergeschaut, dass ich dachte, sie hätte Sie ans Ziel Ihrer Wünsche bringen können.“
    Mit einem Schlag war Jack wieder hellwach. „Ans Ziel meiner Wünsche? Ich glaube nicht einmal, dass es so etwas gibt.“
    „Aber natürlich gibt es das. Jeder Mensch weiß, wonach er sich am meisten sehnt – auch wenn er es niemals zugeben würde.“
    „Glauben Sie das wirklich?“
    „Allerdings.“
    „Dann haben Sie wohl eine heimliche Sehnsucht, einen großen Wunsch?“
    Der Fremde lachte. „Ich habe viele Wünsche, doch von einer heimlichen Sehnsucht möchte ich nicht sprechen. Mein
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