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Minuszeit

Minuszeit

Titel: Minuszeit
Autoren: James White
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können … Was ist?«
    »Ich glaube, ich verzichte auf die Nachspeise«, sagte Savage. Er zerknüllte seine Papierserviette, warf sie auf seinen Teller und stand auf.
    Als er gegangen war, lachte Silverman und sagte: »Ich finde, er nimmt die Dinge zu ernst. Pebbles ist nicht so wichtig, dass Männer in unseren Positionen seinetwegen streiten sollten. Gleichzeitig bin ich nicht der Meinung, dass er in eine andere Abteilung versetzt werden sollte …«
    »Mein Interesse«, sagte Carson steif, »beschränkt sich auf den Sicherheitsaspekt …«
    Silverman winkte lachend ab. »Carson, jetzt nehmen Sie die Dinge zu ernst. Sie können diese Sache inoffiziell regeln. Pebbles ist kein Kommunist oder so – er hat einfach nicht genug Verstand, um politische Gedanken zu denken! Ihr Mann Donovan dramatisiert die Dinge. Es ist nur, dass Pebbles so leichtgläubig und kindisch ist. Würde er irgend etwas Geheimes oder Vertrauliches herausfinden, wäre er ohne weiteres imstande, dem erstbesten Fremden alles darüber zu erzählen. Sein Mundwerk ist ständig in Bewegung.«
     
    »Dieser Pebbles scheint ein interessanter Bursche zu sein«, sagte Carson. »Ich bin neugierig, ihn zu sehen.«
    Silverman schüttelte den Kopf. »Das ist jetzt nicht nötig, Sie verstehen die Situation. Wir sind realistischer in diesen Dingen als unser Freund Savage. Sie werden sehen, es ist wirklich das beste für Pebbles, wenn er bleibt, wo er ist.«
    Carson sagte nichts. Er dachte, dass dies keine Sicherheitsfrage sei und dass es ein Hinweis darauf sei, wie Silverman ihn selbst und seine Abteilung einschätzte, dass er ihn einfach dafür einspannen wollte, einen guten, wenn auch nicht sonderlich intelligenten Arbeiter am Fortgehen zu hindern. Carson hatte Pebbles noch nicht gesehen, aber er wusste bereits, wo seine Sympathien lagen.
    Nach der Rückkehr in sein Büro galt sein erster Anruf der Personalabteilung, um Bill Savage zu bitten, dass er ihm eine Kopie von Pebbles Personalakte schicke. »Ich möchte ihn so bald wie möglich sehen«, fuhr er fort. »Ich bin auf Ihrer Seite, Savage, aber Sie wissen ja, wie es ist: Man muss sich den Rücken freihalten.«
    »Freut mich«, sagte Savage. »Aber behandeln Sie ihn sanft und freundlich, Carson. Pebbles ist nicht ganz so, wie Silverman ihn beschrieben hat.«
    Pebbles arbeitete in dem großen, hellen Raum, der sozusagen das Nervenzentrum des Betriebsklatsches war. Die blutigen Einzelheiten eines Arbeitsunfalls in Werk 3, die letzten Neuigkeiten über einen Raketenauftrag der Regierung, der wahre Grund für den bevorstehenden Streik der Nieter, Skandale und Weibergeschichten – in diesem Raum waren alle Neuigkeiten und überraschend genaue Informationen ständig zu haben. Vom Sicherheitsstandpunkt aus gesehen war der Raum ungefähr so durchlässig wie ein Kaninchenbau, und Carson hatte sich schon oft erfolglos den Kopf zerbrochen, was er dagegen tun könne. Die Namen, die sein frustriertes Gehirn für diesen Raum ersann, waren weder höflich noch druckfähig, obwohl auf dem Türschild nur das Wort MÄNNER zu lesen war.
    Carson sah Pebbles erst an, als er beim Händewaschen war. Er hatte ein Waschbecken gewählt, das für ein Gespräch nahe genug war, aber nicht so nahe, dass es den anderen bei der Arbeit behindern würde.
    Pebbles trug einen blauen Overall, dazu ein weißes Hemd mit Krawatte. Die Krawatte war dezent und vornehm gemustert und hatte das etwas fadenscheinige Aussehen eines Statussymbols, das mit Stolz, aber vielleicht ein wenig zu oft getragen wurde. Carson hatte genau die gleiche Krawatte zu Hause. Pebbles wischte den Fliesenboden und pfiff dazu ein Motiv aus Rimski-Korsakows »Scheherazade«.
    Carson holte tief Atem und sagte freundlich. »Ich habe den dritten Satz der ›Scheherazade‹ auch sehr gern, besonders den Schluß mit dem langsamen Thema der Solovioline.«
    Er schwieg und wartete auf die Reaktion.
    Pebbles blickte rasch auf, sagte aber nichts. Seine Miene spiegelte eine seltsame Mischung von Freude, Verwirrung und Wachsamkeit wider, wie wenn er nicht ganz sicher wäre, ob Carson ihn lobte oder nur hochnehmen wollte. Er sah nicht wie ein Idiot aus – das Gesicht wirkte eher unschuldig als leer oder stumpfsinnig. Es hatte den Ausdruck eines Kindes – eines Kindes mit Problemen, vielleicht, aber nicht notwendigerweise eines dummen Kindes. Carson versuchte es noch einmal.
    »Ich hörte, dass Sie vielleicht bald einen neuen Posten kriegen werden …«
    Pebbles begann zu stammeln,
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