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Mina (German Edition)

Mina (German Edition)

Titel: Mina (German Edition)
Autoren: David Almond
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mal was Gutes tun“, beschließt Mama. „Wie wär’s mit Pizza? Oder etwas vom Chinesen, zum Mitnehmen?“
    Sie betrachtet die Speisekarte vom „Mjam Mjam“.
    „Gebratene Riesengarnelen in Kung-Po-Soße!“, sagt sie. „Frühlingsrollen! Schweinefleisch Cha Sui!“
    Ich schaue auf die Speisekarte von „Panis Pizzapalast“.
    „Spaghetti mit Tomatensoße. Pizza Vier Jahreszeiten!“
    Sie lacht und hält mir die Tür zu „Panis Pizzapalast“ auf.
    Der Kellner begrüßt uns, als seien wir alte Freunde. Er nennt uns „zwei hübsche Damen“. Er schenkt jeder von uns eine rote Rose. Wir setzen uns in den hinteren Teil des Restaurants. Anfangs sind wir die einzigen Gäste, aber dann kommen kleine Familien und Pärchen herein. Die Musik wird angestellt, und irgendjemand singt „O sole mio“.
    Leise singt Mama eine Strophe oder auch zwei mit.
    Ich bestelle mir eine Pizza mit Anchovis, Oliven und Knoblauch.
    Mama bestellt sich Spaghettini mit Muscheln und Garnelen.
    Wir grinsen einander an. Sie trinkt Weißwein, ich Limonade.
    Das Essen ist ein Gedicht.
    „Fantastico“, seufzt sie.
    „Exzellento“, sage ich.
    „O sole mio!“, singt sie leise.
    Draußen wird der Tag immer dunkler.
    Als Nachtisch esse ich Pistazien-, Erdbeer- und Vanilleeis. Mama nimmt „Panna cotta con caramello“.
    „Wegen des Geschmacks und wegen des Klangs“, sagt sie. „Hör dir das nur mal an: Panna cotta con caramello.“
    Wir sprechen die Wörter gemeinsam aus. Mit langstieligen Löffeln in den Händen verspeisen wir den Nachtisch. Wir seufzen angesichts all der Köstlichkeit.
    Mama trinkt noch einen Espresso, und dann gehen wir hinaus in die aufziehende Nacht. Wir kehren auf unseren eigenen Spuren nach Hause zurück, gehen wieder durch den Park, am Fluss entlang. Wir hören, wie sich die Vögel in den Hecken und im Unterholz zur Nachtruhe begeben. Ein paar Katzen – schwarze Tiere – sind auf der Jagd und schleichen durch die Dunkelheit.
    Am Fluss setzen wir uns auf eine Bank.
    „Das war schön, nicht wahr?“, sagt Mama.
    „Delizioso!“
    „Und der Spaziergang? Und der Besuch bei Papa?“
    „Fantastico!“
    „Es geht dir doch gut, oder? Ich meine, wirklich gut.“
    „Ja, meistens.“
    „Meistens ist völlig in Ordnung.“
    Sie legt den Arm um meine Schulter. Wir schauen zu, wie die Sterne an Leuchtkraft gewinnen. Wir stehen auf und gehen langsam weiter. Immer weiter den Weg entlang.
    „Wenn man erwachsen wird“, sage ich, „hört man dann irgendwann ganz auf, sich klein und schwach zu fühlen?“
    „Nein“, sagt sie. „Ein Teil von dir, tief im Inneren, bleibt immer zerbrechlich und klein, egal, wie groß und erwachsen du bist.“
    „Wie ein Baby?“, frage ich.
    „Ja, oder wie ein kleiner Vogel, da drin im Herzen“, sagt sie. „Und eigentlich ist dieser Teil auch gar nicht schwach. Wenn du ihn je vergisst, steckst du in großen Schwierigkeiten.“
    Wir gehen weiter, in Richtung Eingangstor, aber dann nimmt sie meine Hand und zieht mich weg von dem Pfad.
    Wir gehen in den dunkelsten Teil des Parks, an den Schaukeln und der Liegewiese vorbei. Ein paar wenige Lichter beleuchten die Wege hinter uns. Die Straßenlaternen der Crow Road und der Falconer Road und Lichter aus anderen Straßen der Stadt blinzeln durch die Bäume. Die Nacht ist totenstill. Wieder denke ich an die Unterwelt, und ich erschauere. Dann wende ich meine Gedanken ab. Ich fühle die feste Erde unter meinen Füßen. Ich fühle die Luft auf meiner Haut. Ich erhebe die Augen zum Himmel, zu den Millionen von Sternen.
    Mama zeigt mir Saturn und Venus. Sie pickt einzelne Sternbilder heraus: Jungfrau, Krebs, Löwe. Sie deutet auf den Sternenhaufen der Plejaden dicht über dem Horizont. Wir versuchen, weiter zu schauen, immer weiter, zwischen den Sternen hindurch, die sich wie Staub in der Ewigkeit verteilen. Wir versuchen, die Kreaturen und die seltsamen geflügelten Wesen zu erkennen, die von den Griechen an den Himmel gemalt wurden: Bären und Hunde, Pferde und Krebse, Pegasus, Dädalus und Ikarus. Wir stellen uns einen Himmel voller Tiere und anderer Wesen vor.
    „Wir schauen über eine Strecke von Abermillionen von Kilometern hinweg“, sagt sie. „Das Licht von einigen Sternen braucht Millionen von Jahren, um zu uns zu kommen.“
    „Wir sind Zeitreisende“, sage ich.
    „Ja.“
    „Und wir sind aus demselben Material gemacht wie die Sterne.“
    „Ja. Egal, wie weit sie von uns weg sind.“
    Wir stehen ganz still und lauschen der Nacht.
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