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Mina (German Edition)

Mina (German Edition)

Titel: Mina (German Edition)
Autoren: David Almond
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würde. Dann geht er zu seiner Familie und den Möbeln ins Haus.
    Ich beobachte weiter. Schließlich steht Mama unter mir und lächelt zu mir hoch.
    „Ich sehe, dass unsere neuen Nachbarn angekommen sind“, sagt sie.
    Wir schauen zu Mr Myers’ Haus hinüber, das nicht länger Mr Myers’ Haus ist.
    „Das Baby auch“, sage ich.
    „Das Baby? Jetzt schon?“
    „Ja.“
    „Ach je. Ich vermute, sie hatten gehofft, sich erst einrichten zu können. Aber Babys kommen, wann sie Lust dazu haben.“
    „Und die Küken auch“, sage ich.
    „Also ist es die rechte Zeit! Heute ist der Tag der Küken und Babys!“
    Sie streckt mir ihre Hand entgegen. „Und du, mein Baby, hör mir mal zu.“
    „Ja?“
    „Ich finde, du verbringst zu viel Zeit in deinem Baum.“
    „Zu viel Zeit im Baum?“
    „Ja. Du solltest öfter mal hinunter in die Welt kommen. Und du solltest jetzt hinunterkommen und mit mir spazieren gehen.“
    „Wohin denn?“
    „Wohin unsere Füße uns tragen.“
    „Okay.“
    Ich lasse mich aus dem Baum fallen. Dann lege ich den Finger an die Lippen.
    „Hör mal“, flüstere ich.
    „Was denn?“
    „Hör einfach hin. Wenn wir richtig hinhören, können wir vielleicht die Küken im Nest piepsen hören. Vielleicht sogar das Baby im Haus.“
    Wir lauschen und lauschen und lauschen. Wir strecken uns und wenden unsere Köpfe dem Nest zu.
    „Hörst du sie?“, frage ich.
    Sie schüttelt den Kopf.
    „Ich auch nicht“, sage ich.
    Wir grinsen uns an.
    „Vielleicht morgen“, sage ich. „Also schön, bringt uns irgendwohin, ihr Füße!“

Spazieren gehen, Pizza, Sterne & Staub
    Wir verlassen die Straße und gehen in den Park.
    Mama meint, dies sei ein Bildungsspaziergang mit lehrreichem Inhalt. Palaver und Trench haben einen Bericht über das gefordert, was wir bislang in unserem Unterricht behandelt haben. Sie wird ihnen von meinen Schreibspielen erzählen, von meinem Interesse an Vogelkunde, von unseren Kunstprojekten und so weiter und so weiter und so weiter. Sie wird ihnen erklären, dass sogar Spaziergänge im Park unglaublich informativ sein können.
    „Also, gehen wir spazieren“, sagt sie. „Und dabei denken wir über Paul Klees Theorie über Spaziergänge nach.“
    „Wer ist Paul Klee?“
    „Einer der bedeutendsten Maler des 20. Jahrhunderts. Er sagte einmal, dass man beim Malen mit einem Strich spazieren geht.“
    Ich denke darüber nach.
    Denke an einen Stift, der beim Malen über das Papier wandert.
    „Wenn das Malen wie Spazierengehen ist“, sage ich, „dann ist Spazierengehen wie Malen.“
    „Ja, und wenn du es so siehst, dann ist dein Spaziergang eine Wanderung, ein Streifzug, eine Entdeckungsreise.“
    Ich lächele angesichts dieser Schönheit. Ich stelle mir vor, dass unsere Füße ein Gemälde hinterlassen. Ich laufe Biegungen und hüpfe hin und her, um unser Gemälde interessanter zu machen.
    „Die Leute sagen, dass Klees Bilder aussehen wie von einem Kind gemalt“, sagt Mama. „Manche Leute mögen sie nicht. Die Nazis zum Beispiel hassten sie. ,Verbrennt das Zeug!‘, sagten sie.“
    Ich höre zu und denke nach.
    „Vielleicht ist auch das Schreiben wie Spazierengehen“, sage ich. „Man macht einen Anfang, wie einen ersten Schritt, und man muss gar nicht wissen, wohin man geht, bis man angekommen ist. Und man weiß nicht, was unterwegs passiert.“
    Sie lächelt.
    „Beim Schreiben geht man also mit Worten spazieren“, sagt sie.
    „Stimmt.“
    Wir gehen weiter, nah beieinander. Unsere Füße gehen im Gleichschritt. Ich stelle mir jeden Schritt als Silbe vor, und ich hauche die Wörter, während ich gehe.
    Je-des Wort ein Schritt ent-lang ins Ir-gend-wo.
    „Picasso liebte Klees Werke“, sagt Mama. „Er meinte, es würde Jahre dauern, bis man gelernt hätte, wie ein Meister zu malen, und ein Leben lang, bis man gelernt hätte, wie ein Kind zu malen.“
    Das ist merkwürdig: Erwachsene wollen jung werden; Kinder wollen erwachsen werden. Und währenddessen schreitet die Zeit voran, egal, was man will.
    Ich gehe mit den Worten spazieren.
    Ein Le-ben lang, um zu ma-len wie ein Kind.
    Ein Le-ben lang, um zu ma-len wie ein Kind.
    „Wordsworth hat beim Spazierengehen geschrieben“, sagt sie.
    „Wirklich?“
    „Ja. Er meinte, dass der Rhythmus des Laufens ihm helfen würde, den Rhythmus für seine Gedichte zu finden.“
    „Klingt vernünftig.“
    „Stimmt.“
    Beim Schrei-ben nimmt man die Wor-te auf ei-nen Spa-zier-gang mit und die Wor-te fol-gen dem Rhyth-mus der Fü-ße
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