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Milchgeld: Kluftingers erster Fall

Milchgeld: Kluftingers erster Fall

Titel: Milchgeld: Kluftingers erster Fall
Autoren: Michael Kobr , Volker Klüpfel
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traten jetzt deutlich hervor. Das war immer so, wenn er aufgeregt war. Kluftinger versuchte, sich den Tatort einzuprägen. Sein Gedächtnis war gut, manche behaupteten sogar, es sei fotografisch. Eines der wenigen Dinge, auf die er bei sich selbst stolz war.
    Noch einmal ging er in Gedanken den Tatort durch. Das Opfer, soviel stand fest, hatte um sein Leben gekämpft. Es hatte …
    Kluftinger öffnete die Augen. Irgendetwas stimmte nicht. Etwas an dem Anblick, der sich ihm bot, störte ihn. Gut, es hatte einen Kampf gegeben. Bücher lagen am Boden. Zeitschriften neben dem Couchtisch. Aber der Kampf hatte sich hier abgespielt, zwischen Bücherregal und Couch, da waren die Spuren eindeutig. Und doch … Jetzt wusste er es: Die Vorhänge auf der anderen Seite des Zimmers, vor der großen Balkon-Schiebetür, fehlten. Sie lagen auf einem Tisch, der vor der Schiebetür stand. Sie sahen nagelneu aus, wie gerade erst ausgepackt. Er drehte sich um.
    Maier stand bereits hinter ihm. Er hatte darauf gewartet, dass sein Chef sich wieder bewegte, vorher hätte er sich nicht getraut, ihn anzusprechen. Er schwenkte eine durchsichtige Plastiktüte vor Kluftingers Gesicht. »Das war um seinen Hals gewickelt«, sagte er mit einem Kopfnicken in Richtung der Leiche. Kluftingers Magen rebellierte wieder. Es war die Vorhangschnur.
    So etwas hatte er noch nie gesehen. Ja, im Fernsehen vielleicht. Aber hier? In seiner Siebentausend-Seelen-Gemeinde Altusried? Wenn das bekannt werden würde …
    »Vorerst nichts über den Tathergang an die Öffentlichkeit«, sagte Kluftinger schnell. Er wollte sich setzen oder gleich gehen, aber er zwang sich, noch ein paar Schritte auf die Leiche zuzugehen.
    »Wer hat ihn gefunden?«
    »Ein Kollege aus dem Milchwerk, wir haben …«
    »Ist er noch da?«, unterbrach Kluftinger seinen Kollegen.
    »Nein, der war völlig fertig. Ich habe seine erste Aussage aufgezeichnet. Willst du mal hören?«
    Der Kommissar atmete lautstark. Was Maier bloß immer mit seinem Diktiergerät hatte. »Erzähl’s mir einfach.«
    »Er hat sich den Schlüssel beim Nachbarn geholt, weil Wachter den ganzen Tag nicht zur Arbeit gekommen war. Er ist ein hohes Tier im Milchwerk. Lebensmittel … na irgendwas mit … Moment!« Maier spulte auf seinem Diktiergerät herum, drückte ein paar Mal irgendwelche Knöpfe.
    Kluftinger wurde ungeduldig. »Ist doch egal …«
    »Nein, warte, ich hab’s.« Er drückte auf Wiedergabe. »Lebensmitteldesigner« war die Bezeichnung, die er suchte.
    »Lebensmittel … was?« Kluftinger sah seinen Kollegen fragend an.
    »De-sig-ner.«
    »Was soll denn das sein?«, fragte der Kommissar und ging dabei in die Hocke, um sich die Leiche genauer anzusehen. Er war vielleicht noch einen Meter von ihr entfernt, näher wollte er ihr auf keinen Fall kommen.
    »Na ja, also das ist einer, also der macht … das ist schwer zu erklären.« Kluftinger hätte beinahe gelacht, wäre die Situation nicht so ernst gewesen. Maier konnte einfach nicht zugeben, wenn er etwas nicht wusste.
    »Ich will ihn gleich morgen früh im Büro sehen.«
    »Wen?«
    »Na den, der ihn gefunden hat.«
    »Ach so, den Bartsch. Habe ich schon erledigt. Er ist für morgen früh um neun bestellt«, antwortete Maier und klang dabei ein wenig stolz.
    »Hat er Verwandte?«
    »Bartsch?«
    Kluftingers Wangen fingen an zu leuchten. Er war schon viel zu lange hier. »Nein, der Dings natürlich, der Tote«, sagte er und hatte Mühe nicht unwirsch zu klingen.
    »Ach ja, sicher. Das wollte Strobl klären.«
    Kluftinger stand auf. Er hatte genug gesehen. Er ging nach draußen. Strobl sprach gerade mit einem Beamten in Uniform. Als er Kluftinger sah, lief er ihm entgegen.
    »Kein schöner Anblick, was?« Kluftinger verdrehte die Augen. »Hat er Verwandte?«
    »Also Dr. Langhammer hat gemeint, er lebt allein. Er hat aber zwei Töchter, eine wohl im Ausland. Seine Frau lebt irgendwo in Südamerika. Seine Exfrau, meine ich. Wir checken das.«
    Checken. Das Wort klang in Kluftingers Kopf mehrmals nach. Spricht denn heute überhaupt niemand mehr deutsch? Erst dieser Lebensmitteldesigner und jetzt »Wir checken das«. So ein Schmarr’n. Die sollten sich lieber mal schleunigst ans Telefon klemmen.
    »Wir sehen uns morgen«, sagte Kluftinger und ging auf seinen alten Passat zu. Als er an den »Grünen« vorbeikam, wie seine Kollegen die uniformierten Polizisten nannten, bemerkte er ein Grinsen auf ihren Gesichtern. »Ufftata-ufftata«, ahmte einer eine Blaskapelle
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