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Milchbart (German Edition)

Milchbart (German Edition)

Titel: Milchbart (German Edition)
Autoren: Jutta Mehler
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Spaß hier muss den Hornschuh und seine Teilhaber etliche Millionen gekostet haben«, sagte er nach einer Weile. »Ich will gar nicht wissen, was allein die Außenanlagen verschlungen haben. Wie der Kerl so viel Geld zusammengebracht hat, ist mir ein Rätsel.«
    Fanni zuckte die Schultern. Leni hatte über Hornschuh und seine Klinik Erkundigungen eingezogen, bevor sie ihrer Mutter dazu geraten hatte, sich hier behandeln zu lassen. »Mama«, hatte sie gesagt, »Hornschuh genießt einen recht guten Ruf. Das Geschäftsmodell seiner Klinik ähnelt dem Wellness-Resorts, aber statt Gurkenmasken oder Moorbädern werden verschiedene Formen von Psychotherapien angeboten, deren Kosten die Krankenkassen übernehmen – teilweise zumindest.«
    »Und du glaubst, da kann man mich von meiner Amnesie heilen?«, hatte Fanni gefragt.
    Leni hatte den Kopf geschüttelt. »Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, ob die in Hornschuhs Klinik angebotenen Therapien wirksamer sind als Gurkenmasken und Moorbäder. Mir geht es hauptsächlich darum, dass du einen Platz hast, an dem du dich wohlfühlst. Und falls auch nur eine winzige Chance besteht, dass Hornschuhs Methode Erfolg verspricht, sollten wir sie nicht in den Wind schlagen.«
    »Hornschuh könnte ein Blender sein, ein Scharlatan«, hatte Fanni eingewandt.
    »Selbst wenn«, hatte Leni geantwortet. »Seine Klinik liegt herrlich im Grünen, die Küche wird gerühmt – das Gemüse kommt vom Bauernmarkt in Straubing, das Getreide aus der Pankhofener Mühle und das Fleisch von der Biometzgerei Pichler –, die Einrichtung ist wirklich ansprechend, und was kann es schaden, ein paar Gespräche zu führen, ein wenig Gymnastik zu machen, eventuell ein Bildchen zu malen oder eine Figur zu töpfern?«
    Fanni hatte Lenis Drängen nachgegeben und das Zimmer belegt, das ihre Tochter in der Parkklinik von Professor Hornschuh bereits hatte reservieren lassen.
    War es nicht die vernünftigste Lösung, um dein Leben wieder in halbwegs normale Bahnen zu bringen?
    Was ich ja auch schnell eingesehen habe, dachte Fanni.
    Nach dem letzten, beinahe erfolgreichen Anschlag auf ihr Leben in einem Nomadenzelt unter den Dünen des Erg Chebbi war Fanni in einem marokkanischen Krankenhaus aus ihrer Bewusstlosigkeit erwacht. Sie hatte sich an nichts erinnern können, hatte niemanden erkannt: Sprudel nicht, die Reiseleiterin nicht und die Gefährten aus der Trekkinggruppe erst recht nicht. Mit leerem Hirn hatte sie vor sich hin gedämmert, bis Leni – von Sprudel alarmiert und eiligst angereist – an ihr Bett trat. Von da an hatten Fannis Synapsen wieder zu arbeiten begonnen, zu einem gewissen Grad jedenfalls.
    Trotz ihrer verschiedenartigen Verletzungen war sie bereits wenige Tage später in Begleitung von Leni und Sprudel nach Deutschland zurückgekehrt, wo die von Schlägen herrührenden blauen Flecken schnell zu einem fahlen Gelb wechselten und dann gänzlich verblassten; wo die aufgeplatzte Haut verheilte und ihr Körper die letzten Reste des Betäubungsmittels ausschied, das ihr in der angeblichen Eselsmilch verabreicht worden war. Die Wunden heilten, das Gehirn funktionierte wieder, nur die Erinnerung an die vergangenen sechs Jahre wollte sich nicht mehr einstellen.
    Leni hatte Stunden damit verbracht, sie ins Bild zu setzen, und oft – so oft als möglich – hatte ihr Sprudel dabei geholfen.
    Sprudel!
    Ein liebenswerter, sympathischer Mann, der stets zusammen mit Leni in ihrem Krankenzimmer in der Münchener Uniklinik auftauchte. Fanni konnte sich nicht erinnern, ihn je zuvor gesehen zu haben.
    »Du und Sprudel«, hatte Leni erzählt, »ihr habt zusammen den Mord an Mirza Klein aufgeklärt – und nicht nur diesen. Ihr seid ein tolles Team gewesen. Und seit gut einem Jahr seid ihr offiziell ein Paar. Du hast Papa verlassen, die Scheidung ist nur noch Formsache.«
    So ungeheuerlich sich Lenis Worte auch anhörten, Fanni glaubte ihr jedes einzelne. Warum hätte ihre Tochter sie belügen sollen? Das hatte sie noch nie getan, weder als Kind noch als Erwachsene. Auf Leni konnte sich Fanni verlassen wie auf niemanden sonst. Hätte sie aber dennoch leise Zweifel gehegt, dann wären die durch Sprudels Körpersprache augenblicklich fortgewischt worden. Der arme Mann wirkte derart zerrissen, dass sie ihn am liebsten in die Arme genommen und getröstet hätte.
    Das solltest du auch tun , hatte ihre Gedankenstimme verkündet. Schließlich habt ihr anscheinend mehr als ein Jahr lang zusammengelebt wie Mann und Frau!
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