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Milas Lied

Milas Lied

Titel: Milas Lied
Autoren: Britta Keil
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abkaufen würde, aber etwas anderes hatte ich gehofft: dass sie zumindest versuchen würde, mich zu verstehen, und dass sie auf keinen Fall an meiner Loyalität oder meiner Zuneigung zweifeln würde.
    Diese Hoffnung erfüllte sich nicht. Irgendwann schien allein mein Anblick Mila zu nerven. Als wäre ich eine feige Verräterin und als stünde mir auf der Stirn geschrieben, was sie offensichtlich nicht wahrhaben wollte: Ihr Traum war auf Sand gebaut. Wie sollte sie denn berühmt werden, wenn eigentlich niemand wissen durfte, dass es sie gab? Sie würde nie auf einer großen Bühne stehen, solange sie hier war. Es würden nur die kleinen Kneipen bleiben, in denen sie spielen durfte, oder die rauschenden Nächte, in denen sowieso niemand mehr so genau nachfragte, wer da eigentlich auf der Bühne stand. Aber Mila schien immer noch zu glauben, dass sie dieses Problem mit purer Willenskraft lösen konnte. Mein zweitgrößter Fehler war, dass ich genau das nicht glaubte.
    Wenn ich mir also eingebildet hatte, in den vergangenen Monaten Milas Vertrauen gewonnen zu haben, so belehrte sie mich aufs Neue eines Besseren. Meine Freundin zog sich in ihr schillerndes Schneckenhaus zurück, Betreten für Rike verboten , und wurde wieder zu dem, was sie von Anfang an gewesen war: ein großes Geheimnis.
    Eines Abends schlief sie neben mir ein, ohne dass wir am Tag ein einziges Wort gewechselt hatten. Mit stummem Vorwurf schnappte sie sich Rilkes Liebesgedichte von meinem Schreibtisch, fuhr mit den Fingerspitzen den Kaffeerand entlang und verzog dabei die Mundwinkel. Ich beobachtete sie vom Bett aus und bekam einen trockenen Hals. Sie kletterte die Leiter hoch, ich versteckte mich hinter meinem Buch. Das Buch war dick, aber viel zu klein, um mich restlos zu verbergen. Ich schielte über den Rand, Mila beachtete mich nicht. So lagen wir ein paar endlose Minuten nebeneinander, die Buchdeckel wie papierne Schutzschilde in Stellung gebracht. Es verletzte mich unglaublich, dieses Schweigen, und als ich das Licht ausknipste, sickerten Tränen in mein Kopfkissen.

Es ist nicht…
    Es ist nicht meine Schuld, dass sie nicht schlafen kann. Ich will mich nicht bei ihr dafür entschuldigen, dass es mich gibt. Sie wollte meine Geschichte unbedingt hören, ich habe sie ihr erzählt, und jetzt ist sie unglücklich, weil es keine lustige Gutenachtgeschichte geworden ist. Aber das Leben ist kein Märchenwald und ich bin kein singender Pfannkuchen wie Kolobok.

Es war wohl…
    Es war wohl nur eine Frage der Zeit gewesen, bis passierte, was als Nächstes passierte. Trotzdem traf es mich wie ein Schlag in die Magengrube. Nachdem ich als Freundin unbrauchbar geworden war, suchte sich Mila einfach einen neuen Spielgefährten, und offensichtlich bedurfte es nur eines reizenden Augenaufschlags, um Theo aus seinem Schmollwinkel hervorzulocken.
    Als ich eines Abends aus der Uni kam, hörte ich Gekicher aus Theos Zimmer. Ich dachte keine Sekunde daran, dass es Mila sein könnte, die mit Theo in friedlicher Eintracht auf dem Sofa hockte, aber dann erkannte ich ihre Stimme. In der Küche stand ein halb voller Topf mit Popcorn.
    Später schlich sich Mila in mein dunkles Zimmer. Sie versuchte vergeblich, die knarrende Tür leise zu schließen, und dann patschten ihre nackten Füße über den Dielenboden. Als sie sich neben mich legte, atmete ich geräuschvoll ein und aus, damit sie nicht merkte, dass ich noch wach war. Sie raschelte mit der Bettdecke, warf sich ein paarmal hin und her, dann war es still. Sie roch nach Theo.
    Ein paar Tage später entdeckte ich morgens zwei Konzerttickets an unserem Kühlschrank. Sie hingen zwischen dem Flyer vom Pizzaservice, dem Flyer vom Thai-Imbiss, dem Flyer vom Libanesen und dem Putzplan, an den Theo und ich uns noch nie gehalten hatten.
    Es waren Karten fürs Lido , die Band sagte mir nichts. Das Konzert fand an diesem Abend statt. Es war keine detektivische Meisterleistung, sich zusammenzureimen, für wen diese Karten bestimmt waren.
    Am Abend waren die Karten weg, genau wie Mila und Theo. Ich packte kurz entschlossen eine Dose mit Erdbeeren und Bourdieu in meinen Rucksack, schnappte mir mein Fahrrad und fuhr in den Park. Es war noch hell und warm drauße n – der längste Tag des Jahres. Ich ließ mir den weichen Fahrtwind um die Nase wehen und trat in die Pedale, so fest ich konnte. Sie hatten mich nicht mal gefragt, ob ich vielleicht mitkommen möchte.
    In der Nacht wartete ich vergeblich auf Mila. Als ich morgens
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