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Microsklaven

Microsklaven

Titel: Microsklaven
Autoren: Douglas Coupland
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geführte Hände tippten:
     
    M1NE TOCHTR
     
    Karla verlor die Fassung und fing an zu weinen, und dann, na ja, dann fing ich an zu weinen. Und dann Dad und dann, tja, alle, und mittendrin war Mom, halb Frau, halb Maschine, und strömte blaues Macintosh-Licht aus.
    Freude wurde zu Albernheit, wurde zu Erleichterung und Cocktails.
    Das Licht in der Küche ging an. Amy sagte: »Das ist wie der erste Kontakt zu Außerirdischen!«
    Verlorene Botschaften wurden zu gefundenen Botschaften:
     
    MSTY FRISST ZUVL
     
    DAN SCHNEID DR DI HAARE
     
    MR GETS BESSR
     
    B EUCH ALLE LIB
     
    Da haben wir's: Mom redet wie ein Nummernschild ... wie der Text eines Prince-Songs ... wie eine Seite ohne Vokale ... wie eine Chiffre. Das ganze letzte Jahr habe ich mit Worten rumprobiert, und jetzt, tja ... ist es Realität.
    N ach einer Stunde erschien die Botschaft FRCHTBAR MUDE auf dem Bildschirm, und Dad sagte, wir sollten erst mal Schluß machen. Es war dunkel, und Todd hatte im Kamin Feuer gemacht. Amy kam mit einem Stapel alter Pferdedecken und Taschenlampen und einem Satz bleistiftgroßer Laser-Punktstrahler vom letzten Weihnachtsfest herein und sagte: Michael... Dan ... Susan ... irgendeiner muß mir helfen, das Sofa nach draußen an den Pool zu stellen. Sie legte die Sachen auf das müde alte Broyhill, und wir trugen es raus an den blaugrünen Pool, und der Himmel über dem Valley war voll von kobaltgrauem Nebel. Amy stellte einen der tragbaren Laser an, die Abe uns zu Weihnachten geschenkt hatte und die wir benutzen, um bei Meetings an die Tafel zu deuten, und durchschnitt den Himmel mit einem dünnen roten Strahl. Dusty trug Mom hinaus und legte sie auf die Couch, mit dem Kopf gen Himmel, und Dad legte sich neben sie auf die Couch und wickelte Mom in Decken ein.
    Amy sagte: »Mrs. U., Sie haben sich wahrscheinlich immer gefragt, was Kinder am Wochenende so machen. Tja, das ist so: Sie kiffen und gehen zu Pink-Floyd-Lasershows im Planetarium. Michael: Musik ab ...«
    Eine Artrock-Hymne aus einer anderen Ära erfüllte die Luft, und wir schalteten alle unsere Lampen ein und richteten sie auf den Himmel, eine chaotische Symphonie aus Linien und Farben.
    Alle zwölf standen wir da draußen auf der Terrasse, draußen im nebligen Dunkel des Januarabends: Michael und Amy sprangen voll bekleidet in den strahlend blauen Pool und retteten den R2D2-Poolreiniger aus seinem endlosen Sklavendasein. Dad lag neben Mom auf dem Bett und hielt ihren Kopf in den Armen, schaute unseren Lasern zu und drehte sie so, daß auch sie die Strahlen sehen konnte; Ethan, blaß und aufgeschwemmt, prüfte mit einem kleinen Gerät Batterien und stritt sich mit Dusty über irgendeine Kleinigkeit; Lindsay lag, fast eingeschlafen, neben Mom; Abe hüpfte zusammen mit Susan, Todd, Emmett und der armen schwerfälligen, übergewichtigen Misty auf seinem Trampolin in den Nebel. Ihre vier Laser schnitten in den Himmel und trafen auf meinen Laser und Karlas Laser und die von Dad und Ethan und Dusty. Karla und ich legten uns auf dem Zement neben dem Pool auf ein verschlissenes Promo-Handtuch der Zeitschrift Road & Track, dessen dünne Baumwolle uns gegen den derzeitigen Wärmemangel der Erde isolierte. Ich sagte ihr, daß ich sie liebte. Dad hörte, wie ich das sagte, und daher schätze ich, daß auch Mom diese Worte gehört hat.
    Mir fiel ein, daß eine Freundin von Mom mir mal gesagt hat, wenn man bete, wenn man ernsthaft bete, sende man einen Lichtstrahl in den Himmel hinaus, so klar und kräftig wie ein Sonnenstrahl, der am Ende eines Regentages durch die Wolken bricht; wie die Scheinwerfer auf dem Gehweg vor der Oscar-Verleihung.
    Und als Karla und ich da so lagen, wir beide - wir alle - mit unseren Taschenlampen und Lasern, die das Wetter durchschnitten, uns mit ihrer brillanten Präzisionstechnologie bis in den Himmel verlängerten, bis zum Ende des Universums, sah ich Karla an und sagte laut: »Wirklich.« Und dann dachte ich über uns nach ... diese Kinder, die in die Cartoonlöcher des Lebens gefallen sind ... traumlose Kinder, am Leben, aber nicht lebendig - wir sind auf der anderen Seite der Cartoonlöcher wieder aufgetaucht, hellwach, und wir haben entdeckt, daß wir ganz sind.
    Ich mache mir Sorgen um Mom ... Und ich denke an Jed, und plötzlich sehe ich mich um zu Bug und Susan und Michael und allen, und mir wird klar, daß das, was mir so lange gefehlt hat, nun nicht mehr fehlt.
     
    hallojed
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