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Michelle Obama – Ein amerikanischer Traum

Michelle Obama – Ein amerikanischer Traum

Titel: Michelle Obama – Ein amerikanischer Traum
Autoren: Christoph von Marschall
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der Wirkung solcher Ikonen wie Jacqueline Kennedy und Lady Di. Die Bilder von ihrer Begegnung mit Queen Elizabeth II. waren in aller Munde. Der Jubel wiederholte sich bei Michelles nächsten Reisen, zum Beispiel im Juni mit ihren Töchtern nach Paris und London. Da mag auch der Wunsch Vater des Gedankens und da mag Projektion im Spiel sein – nach den Bush-Jahren, in denen das internationale Ansehen der USA verfiel, sehnen sich die Amerikaner nach Repräsentanten, auf die sie stolz sein dürfen.
Cinderella reloaded
    Die Begeisterung, die der neuen First Lady in den ersten Tagen und Wochen entgegenschlug, lässt sich leicht nachvollziehen. Die schwierigere Frage wird sein, warum sie anhält. Als sie ins Weiße Haus einzog, wirkte sie wie eine moderne Version des Aschenputtels oder, im Englischen, der Cinderella. Sie kam aus einfachen Verhältnissen, sie war verkannt worden und hatte Demütigungen erfahren. Doch nun stand sie bei der Inauguration des frisch gewählten Präsidenten – dem demokratischen Äquivalent der Inthronisierung eines Königssohns – in strahlenden Designerkleidern an seiner Seite wie eine Märchenprinzessin. Diese feierliche Amtseinführung in den USA könnte ebenfalls den Erzählungen der Brüder Grimm oder heute der Fantasie des Walt-Disney-Imperiums entsprungen sein. Sie ist ein feierlicher Staatsakt mit allem Prunk und Pomp auf den Stufen vor der respekteinflößenden Kulisse des Capitols. Zugleich aber ist sie für die rund drei Millionen Bürger, die sich an diesem 20. Januar auf den weiten Rasenflächen der National Mall eingefunden hatten, ein unbeschwertes Volksfest, das sich mit Paraden und Bällen über mehrere Tage hinzieht.
    Das Märchen von Cinderella hat in den USA eine irdische Entsprechung in der Erzählung vom amerikanischen Traum. Egal, woher du kommst, egal, wer deine Eltern sind – in Amerika kannst du alles werden. Michelle bedient diese Sehn sucht nach der Chancengleichheit und den Aufstiegsmöglichkeiten für alle mit ihrem Lebensweg. Oft hat sie in den ersten Wochen in Washington Schulen besucht, bevorzugt in Stadtvierteln, aus denen typischerweise weder Spitzenpolitiker noch Universitätsprofessoren kommen, und den Mädchen dort gesagt: «Hört nicht auf, von höheren Zielen zu träumen. Bewahrt den Glauben, dass ihr es schaffen könnt. Schaut mich an: ‹I am not supposed to be here.›» Niemand habe es ihr in die Wiege gelegt, dass sie ins Weiße Haus einzieht. Gegen alle Wahrscheinlichkeit ist sie zur First Lady aufgestiegen. Ein Märchen wurde Wirklichkeit. Der amerikanische Traum hat sich einmal mehr erfüllt.
    Das mag manchen zu pathetisch klingen. Und andere finden solche Parallelen zu durchsichtig, um sich darauf einzulassen. Aber diese Denkschablonen und rührseligen Märchenvorbilder waren in den Köpfen und Herzen vorhanden, als Michelle die nationale Bühne betrat. Die Bewunderung für sie im In- und Ausland war keine Erfindung amerikanischer Medien. Sie ist echt und hält auch nach vielen Monaten im Weißen Haus ungebrochen an. Das kann jeder nachempfinden, der die Gelegenheit hat, Michelle von Zeit zu Zeit bei ihren Auftritten zu beobachten. Das ist freilich gar nicht so einfach. Den Zugang muss man sich erkämpfen. Das neue Idol der Afroamerikaner ist sie sowieso – und das ist gewiss die leichtere Übung. Die schwarzen Bürger sind ganz besonders dankbar für Vorbilder aus ihrer Mitte, zu denen sie mit Stolz aufschauen können. Im Sport, in der Musikindustrie und im Filmgeschäft gibt es sie seit Jahrzehnten zuhauf: Schauspielerinnen wie Halle Berry und Angela Bassett, Sängerinnen wie Jennifer Hudson und Beyoncé, Basketballer wie Michael Jordan und Kobe Bryant, Talkshow-Queens wie Oprah Winfrey und Whoopi Goldberg. Doch in der Politik sind sie eine seltene Ausnahme, zumal unter den höchsten Repräsentanten des Staates. Michelle fliegt fast automatisch die Zuneigung der afroamerikanischen Bürger zu. Sie ist jedoch auch zu einer Identifikationsfigur für die große Mehrheit der weißen Amerikaner geworden, ebenso der Latinos und der Asiaten in den USA. Das ist alles andere als selbstverständlich.
    Ihr Erfolg lässt sich erklären. Er kam jedoch nicht automatisch nach all dem Misstrauen, mit dem ein nicht unerheblicher Teil des weißen Amerika noch während des Wahlkampfs auf sie geblickt hatte. Was also ist ihr Geheimnis? Begleiten wir sie doch einfach zu ein paar typischen Auftritten.
Die Nachbarin
    Wenige Wochen nach der Amtseinführung besucht
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