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Michelle Obama – Ein amerikanischer Traum

Michelle Obama – Ein amerikanischer Traum

Titel: Michelle Obama – Ein amerikanischer Traum
Autoren: Christoph von Marschall
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vierköpfige Familie ernähren. Wir wohnten zur Miete und haben uns nicht viel geleistet. Aber meine Mutter konnte es sich erlauben, zu Hause bei den Kindern zu bleiben. Sie hatte die Wahl, nicht arbeiten zu gehen, als wir aufwuchsen.»Heute sei das anders. «Ein Gehalt reicht nicht mehr. In den meisten Familien müssen beide Eltern verdienen, selbst wenn sie es anders lieber hätten. Ganz schwer haben es die alleinerziehenden Mütter, und es gibt Millionen davon in unserem Land.»
    Berufstätige Frauen, alleinerziehende Mütter, Alltagsprobleme bei der Herausforderung, Arbeits- und Familienleben in Einklang zu bringen – das sind häufige Grundmotive bei Michelles Auftritten. Darin kann sich ganz Amerika wiedererkennen, unabhängig von der Hautfarbe. Oft schlägt sie einen nostalgischen Ton an: Früher war das Leben einfacher … Das trägt ihr Sympathien ein. Erstens generell. Und zweitens gerade in den Wählerschichten, die manche Vorbehalte gegen schwarze Politiker und in der Konsequenz auch gegen eine Afroamerikanerin als First Lady hatten.
    Allgemein empfinden es weiße Amerikaner als überraschend, wenn schwarze Mitbürger in Nostalgie verfallen. Von Bill Cosby, dem dunkelhäutigen Entertainmentstar, stammt der Satz: «Afroamerikaner sind die einzigen Menschen, die sich nicht auf ‹die gute alte Zeit› berufen können.» Auch nach der Abschaffung der Sklaverei gab es für die überwältigende Mehrheit der Schwarzen keine idyllischen Lebensverhältnisse, die als Bezugspunkt für eine sehnsuchtsvolle Rückwendung zu früheren Zeiten dienen könnten. Nun aber tritt die First Lady auf und beschwört eine «gute alte Zeit» auf ganz ähnliche Weise, wie das weiße Familien in den USA millionenfach tun. Für Michelle ist das nichts Neues. Sie hat diesen psychologischen Kniff schon während der zwei Jahre Wahlkampf erfolgreich eingesetzt. Als Kandidatenfrau hatte sie damit jedoch nur Wähler erreicht, die ohnehin neugierig auf die Obamas waren. Seit Michelle die First Lady ist, hören ihr auch Amerikaner zu, die ihr zuvor wenig Aufmerksamkeit schenkten. Und sie entdecken zu ihrem Erstaunen eine Afroamerikanerin, die gar nicht «schwarz» klingt, sondern ganz ähnlich über ihre Kindheit erzählt, wie das weiße Amerikaner tun.
    Die USA sind eine sehr diverse Gesellschaft. Der Anteil ethnischer, religiöser und kultureller Minderheiten ist weit höher als in Deutschland und anderen Staaten Europas. Das bedeutet aber nicht, dass sich die Angehörigen der unterschiedlichen Gruppen im Alltag ständig begegnen und ein realistisches Bild voneinander entwickeln. Die Mehrzahl der weißen Arbeiterfamilien in Ballungsräumen und die Mehrzahl der weißen Landbevölkerung hat wenig Kontakt mit Afroamerikanern und empfindet eine innere Ferne zu deren Lebensstil. Hinzu kommt, dass sich die beiden Gruppen dort, wo sie doch einmal aufeinandertreffen, als Rivalen fühlen. Sie konkurrieren auf dem Arbeitsmarkt um Jobs der unteren Gehaltsklassen – und auf dem Immobilienmarkt um die erschwinglichen Wohnungen und Häuser.
    Weiße Amerikaner der unteren Bildungsschichten haben zudem das gängige Bild von den typischen Familienverhältnissen der Afroamerikaner besonders stark verinnerlicht. Es mischt sich aus traurigen statistischen Belegen und Vorurteilen, zum Beispiel dem Bild von der «Welfare Queen». Ronald Reagan, der letzte Präsident vor Obama, der eine überwältigende Zustimmung in den meisten Bevölkerungsgruppen genoss, hatte es in seinen Wahlkämpfen verbreitet: Er prangerte junge, meist afroamerikanische Frauen an, die angeblich von der Sozialhilfe für ihre oft unehelichen Kinder leben. Solche Fälle gab es. Zur Verallgemeinerung taugten sie nicht. Wahr ist aber auch, dass Teenagerschwangerschaften, alleinerziehende Mütter und leibliche Väter, die vor der Verantwortung für die von ihnen gezeugten Kinder fliehen, unter Afroamerikanern weit häufiger vorkommen als unter Weißen in den USA. Nur die Hälfte der schwarzen Kinder wächst in einer traditionellen Familie mit Mutter und Vater auf.
    Wie schon im Fall der Nostalgie ist Michelle auch da für einen Überraschungseffekt gut. Sie ist verheiratet – seit mehr als anderthalb Jahrzehnten mit demselben Mann. Sie hat zwei süße Töchter. Und diese vier Menschen gehen in der Öffentlichkeit liebevoll miteinander um. Michelle steht für das genaue Gegenteil des vorurteilsbeladenen Bildes von den angeblich typischen schwarzen Familienverhältnissen. Sie verkörpert die
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