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Michelle Obama – Ein amerikanischer Traum

Michelle Obama – Ein amerikanischer Traum

Titel: Michelle Obama – Ein amerikanischer Traum
Autoren: Christoph von Marschall
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unterhalten.»
Schwarz und doch nostalgisch
    Besuche wie in «Mary’s Center» hat Michelle in den ersten Monaten dutzendfach absolviert. Sie geht in die Schulen und Kirchengemeinden in der Umgebung ihres neuen Zuhauses. Zwei Monate nach Amtsantritt gibt sie in «Miriam’s Kitchen», einer Armenküche nur anderthalb Kilometer westlich des Weißen Hauses, Mittagessen an Bedürftige aus. Auf diese Weise hat sie das Bild einer First Lady geprägt, die den Kontakt zum Alltag einfacher Bürger sucht. Es ist ein Ausgleich zu den Fernsehbildern ihrer glamourösen Auftritte bei feierlichen Anlässen im Weißen Haus oder bei gekrönten Häuptern in Europa. Auch die sind stilbildend. Die Bürgerinnen und Bürger wollen sich schließlich würdig von ihrer weiblichen Nummer eins repräsentiert fühlen. Aber zugleich zeigt diese Frau Bodenhaftung. Sie demonstriert sehr traditionelle Tugenden: Mitgefühl, Nachbarschaftshilfe, Solidarität. Das sind zwar nicht exklusiv amerikanische Werte. Aber in weiten Teilen der USA wird oft so getan, als sei dies speziell amerikanisch. Und nun lassen die Fernsehanstalten die ganze Nation an solchen Bildern von Michelle teilhaben.
    Als die Obamas sich um den Spitzenjob im Weißen Haus bewarben und als sie die Wahl gewannen, da verkündeten die Medien, was für eine Revolution diese Entwicklung für die Geschichte der USA bedeute. Das vorherrschende Gefühl war Aufbruchsstimmung. Und wie immer, wenn von einer neuen Epoche mit Reformen und ganz viel Veränderung die Rede ist, machte diese Aussicht einem Teil der Bürger Angst.
    Im Fall der Obamas hatte die Scheu vor dem Neuartigen eine zusätzliche Komponente: Der neue Präsident und seine Frau sind Afroamerikaner. Die meisten Weißen in Amerika pflegen keinen engen Kontakt mit Schwarzen. Ihnen fehlte eine gefestigte Vorstellung, was da auf sie zukommt mit der ersten schwarzen First Family im Weißen Haus.
    Doch diese Michelle, die sie nun über Fernsehen, Zeitungen und Illustrierte wahrnehmen, kommt ihnen beruhigend bekannt vor. Sie wirkt auf die Bürger wie eine Wertkonservative. Man kann ihre Hautfarbe glatt vergessen. Sie hört sich wie eine Weiße an. Das gilt besonders, wenn sie über den Wert der Familie spricht. Sie tut das oft und gern, zum Beispiel im Mai 2009 beim Treffen von «Corporate Voices for Working Families» in einem Washingtoner Hotel. Der Verband vertritt die Interessen von Familien, in denen beide Eltern berufstätig sind. Die Vorsitzende Donna Klein hat zwar im Wahlkampf Hillary Clinton unterstützt, aber das spielt jetzt keine Rolle mehr. Michelle eröffnet die Tagung mit einer achtminütigen Ansprache. Zu schwarzen Hosen trägt sie eine kurzärmelige Bluse mit großen Blumenmustern in kräftigen Sommertönen: rot, gelb, pfirsichfarben, violett. Die Bluse wird in der Taille von einem 15 Zentimeter breiten Gürtel in Hellbraun mit goldenen Verzierungen zusammengehalten. Rechts und links hinter dem Rednerpult sind zwei US-Flaggen aufgepflanzt.
    Der Termin ist wie ein Elfmeter ohne Torwart für Michelle. Sie kann aus der eigenen Erfahrung schöpfen und humorvoll über ihre neue privilegierte Stellung scherzen. Neuerdings habe sie ja eine Stabschefin sowie eine persönliche Assistentin «und tonnenweise weitere Unterstützung». Sehr hilfreich sei das und sie könne nur sagen: Jede Frau in Amerika sollte Anspruch auf einen Stabschef und persönliche Assistenten haben. Die Doppelbelastung von Familie und Arbeit lasse sich dann viel leichter bewältigen. Sie weiß, wovon sie redet. Sie war ja selbst eine berufstätige Mutter, die ihre Verantwortung zuhause mit den Anforderungen des Jobs zu vereinbaren hatte. Und später eine Vorgesetzte, die Verständnis zeigen musste, wenn Untergebene wegen kranker Kinder überraschend daheim blieben. «22 Millionen Frauen in Amerika haben nicht einen einzigen bezahlten Krankentag», empört sich Michelle. «Stellen Sie sich das mal vor: wählen zu müssen, ob das kranke Kind Vorrang hat oder der Lohn, auf den man angewiesen ist.» Da müsse die Privatwirtschaft einfach innovativer werden und intelligente Modelle anbieten, wie sich Familie und Berufstätigkeit vereinbaren lassen.
    Natürlich darf auch hier der Rückblick auf ihre eigene Kindheit nicht fehlen. «Als ich aufwuchs, waren die Verhältnisse für Arbeiterfamilien noch ganz anders. Wir hatten nicht viel Geld. Mein Vater verrichtete körperliche Arbeit für die Stadt im Schichtdienst. Auch ohne höhere Ausbildung konnte er unsere
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