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Michel in der Suppenschüssel

Michel in der Suppenschüssel

Titel: Michel in der Suppenschüssel
Autoren: Astrid Lindgren
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machte.
    Jetzt hatten sie es eilig auf Katthult. Michel sollte fein gemacht werden, er musste gewaschen werden und man musste ihm seinen besten Anzug anziehen. Kämmen konnte man ihn ja nicht und ihm 
     

     
    auch nicht die Ohren waschen, obwohl das sehr nötig war. Seine Mama versuchte allerdings, einen Zeigefinger unter die Kante der Suppenschüssel zu schieben, um Michels Ohren auszukratzen, aber das endete übel, denn auch sie blieb in der Suppenschüssel stecken.
    »Jaja, so geht es«, sagte die kleine Ida und Papa Anton wurde richtig wütend, obgleich er doch sonst so nett war.
    »Will sich vielleicht noch jemand in der Suppenschüssel festklemmen?«, schrie er. »Macht das nur, dann kann ich gleich den großen Heuwagen nehmen und ganz Katthult zum Doktor nach Mariannelund karren.«
    Aber Michels Mama zog kräftig und bekam den Finger wieder heraus.
    »Du kannst mit ungewaschenen Ohren fahren, Michel«, sagte sie und pustete auf ihren Finger. Da erschien ein zufriedenes Lächeln unterhalb der Suppenschüsselkante und Michel sagte:
    »Das ist der erste richtige Nutzen, den ich von dieser Suppenschüssel habe.«
    Aber nun war Alfred mit Pferd und Wagen an der großen Treppe vorgefahren und Michel kam heraus, um in den Kutschwagen zu klettern. Er sah sehr fein aus in seinem gestreiften Sonntagsanzug und seinen schwarzen Knopfstiefeln und der Suppenschüssel – na ja, er sah vielleicht etwas ungewöhnlich aus mit der Suppenschüssel auf dem Kopf, aber sie war mit Blumen bemalt und hübsch und glich beinahe einer Art neumodischem Sommerhut. Das Einzige, was auffiel, war, dass dieser Hut ziemlich tief über Michels Augen herunterreichte. Und nun wollten sie sich auf den Weg nach Mariannelund machen.
    »Passt gut auf Klein-Ida auf, während wir fort sind«, rief Michels Mama. Sie saß mit Michels Papa auf dem Vordersitz. Auf dem hinteren Sitz saß Michel mit der Suppenschüssel. Und seine Müsse hatte er neben sich auf dem Sitz. Er musste doch auch etwas auf dem Kopf haben, wenn er nach Hause fuhr. Wie gut, dass er daran gedacht hatte!
    »Was soll ich zum Abendbrot kochen?«, schrie Lina, gerade als der Wagen anrollte.
    »Mach, was du willst«, rief Michels Mama. »Ich hab jetzt an anderes zu denken.« »Dann koch ich wohl Rindfleischsuppe«, sagte Lina. Aber im selben Augenblick sah sie etwas Geblümtes hinten an der Wegbiegung verschwinden und ihr fiel wieder ein, was geschehen war. Sie wandte sich sorgenvoll zu Alfred und der kleinen Ida.
    »Dann wird’s wohl nur Brot und kaltes Schweinefleisch geben«, sagte sie.
    Michel war schon mehrere Male nach Mariannelund gefahren. Ihm hatte es gefallen, hoch oben auf dem Kutschwagen zu sitzen und zu sehen, wie sich der Weg schlängelte, und die Höfe anzuschauen, an
     

     
    denen er vorbeifuhr, und die Kinder, die auf den Höfen wohnten, und die Hunde, die hinter den Zäunen bellten, und die Pferde und Kühe, die auf den Wiesen weideten. Aber jetzt war es weniger schön. Jetzt saß er da mit einer Suppenschüssel über den Augen und sah nur ein kleines Stück von seinen eigenen Knopfstiefeln – durch den schmalen Spalt unter der Suppenschüsselkante. Immerfort musste er seinen Papa fragen:
    »Wo sind wir jetzt? Sind wir schon am Pfannkuchenhof vorbeigefahren? Kommen wir bald zum Schweinehof?«
    Michel hatte sich nämlich für alle Höfe, die am Weg lagen, eigene Namen ausgedacht. Pfannkuchenhof hieß ein Hof, weil dort einmal zwei dicke kleine Kinder am Zaun gestanden und Pfannkuchen gegessen hatten, als Michel vorbeigefahren war. Und der Schweinehof war nach einem kleinen lustigen Schweinchen benannt, dem Michel manchmal den Rücken kraulte.
    Aber jetzt saß Michel so traurig und guckte auf seine Knopfstiefel hinunter und sah weder Pfannkuchen noch lustige Schweinchen. Kein Wunder, dass er quengelte:
    »Wo sind wir jetzt? Sind wir nicht bald in Mariannelund?« 
     

     
    Das Wartezimmer des Arztes war voller Leute, als Michel mit seiner Suppenschüssel hereinkam.
    Alle, die dort saßen, bedauerten ihn sofort. Sie begriffen, dass ein Unglück geschehen war. Nur ein kleiner alter Mann lachte boshaft, als sei es etwas Lustiges, in Suppenschüsseln festzustecken.
    »Hohoho«, sagte der Alte. »Frierst du an den Ohren, Junge?« »Nee«, sagte Michel.
    »So? Wozu brauchst du dann den Ohrenschützer?«, fragte der Alte.
    »Weil ich sonst an den Ohren friere«, sagte Michel.
    Er konnte wahrhaftig witzig sein, wenn er auch klein war.
    Aber dann durfte Michel zum Doktor
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