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Michel in der Suppenschüssel

Michel in der Suppenschüssel

Titel: Michel in der Suppenschüssel
Autoren: Astrid Lindgren
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als er in dem Karussell herumfuhr, dass sein wolliges Haar nur so wehte. Viel Spaß habe ich in meinem Leben schon gehabt, aber so was noch nie.
    Dann sah er sich den Schwertschlucker und den Feuerfresser und die Dame mit dem Vollbart an und nach dieser Prasserei hatte er nur noch zwei Öre.
    Ich kann ja noch ein Liedchen singen und meine Müsse füllen, dachte Michel. Hier sind doch alle Menschen so freundlich.
    Aber da spürte er, dass er müde war. Er wollte nicht mehr singen, Geld wollte er auch nicht mehr haben. Also gab er sein Zwei-Öre-Stück dem blinden Alten. Dann schlenderte er ein bisschen herum und suchte nach Alfred. Wenn Michel glaubte, alle Menschen seien freundlich, so hatte er sich geirrt. Es gab schon den einen oder anderen, der böse war und auch an diesem Tag auf die Festwiese in Hultsfred gekommen war. Zu jener Zeit trieb sich ein unheimlicher Dieb in diesen Gegenden herum. Der Rabe wurde er genannt, vor ihm fürchtete sich ganz Småland. Vieles konnte man über seine Gaunerstücke in der Småland-Zeitung und in der Hultsfred-Post lesen. Überall auf Festen oder Märkten und an anderen Stellen, wo Menschen und Geld 
     

     
    die Runde machten, dort konnte man sicher sein, dass der Rabe auftauchte und stahl, was er nur kriegen konnte. Damit niemand ihn wieder erkennen konnte, hatte er jedes Mal verschiedene Backenbärte und Schnurrbarte angeklebt. Nun war er an diesem Tag auf die Festwiese nach Hultsfred gekommen und schlich dort mit einem schwarzen Schlapphut und falschem schwarzen Schnurrbart herum, um zu sehen, was es zu stehlen gab. Niemand wusste, dass es der Rabe war, der dort herumschlich, sonst hätten sie alle ordentlich Angst gehabt.
    Aber wenn der Rabe klug gewesen wäre, dann wäre er nicht am selben Tag auf die Festwiese nach Hultsfred gekommen, an dem Michel aus Lönneberga mit seiner Büsse dort war.
    Michel schlenderte also still herum und suchte nach Alfred. Da kam er an dem Zelt der Dame mit dem Vollbart vorbei und durch die Zeltöffnung sah er, dass sie dort drinnen saß und Geld zählte. Sie wollte wohl wissen, wie viel sie mit ihrem Bart an einem einzigen gesegneten Sonntag in Hultsfred verdient hatte.
    Wenig konnte es nicht sein, denn sie strich sich schmunzelnd und zufrieden den Bart. Und dann entdeckte sie Michel.
    »Komm nur herein, du kleiner Junge«, rief sie. »Du darfst dir meinen Bart völlig umsonst angucken, weil du so nett aussiehst.«
    Michel hatte den Bart ja eigentlich schon gesehen, aber wenn er eingeladen wurde, wollte er nicht nein sagen. Und weil es nun völlig umsonst war, ging er in das Zelt hinein – mit seiner Müsse und seiner Büsse – und sah sich noch einmal ausgiebig die Dame mit dem Vollbart an, ungefähr für fünfundzwanzig Öre.
    »Wie bekommt man so einen schönen Bart?«, fragte er höflich. Aber die bärtige Dame kam nicht mehr dazu, ihm zu antworten, denn im selben Augenblick zischte eine schreckliche Stimme:
    »Gib sofort das Geld her, sonst reiß ich dir den Bart ab!«
    Es war der Rabe. Er hatte sich ins Zelt geschlichen, ohne dass sie es gemerkt hatten.
    Die bärtige Dame wurde weiß im Gesicht – außer dort natürlich, wo sie den Bart hatte. Die Ärmste, sie wollte gerade all ihr Geld dem Raben geben! Aber da flüsterte Michel:
    »Nimm meine Büsse!«
    Und die Dame mit dem Vollbart nahm das Holzgewehr, das Michel ihr so umsichtig zusteckte. Es war ziemlich dunkel im Zelt, man konnte nichts genau erkennen. Die bärtige Dame glaubte, es sei ein richtiges Gewehr, eins, mit dem man schießen konnte. Und das Beste von allem: Der Rabe glaubte es auch!
     

     
    »Hände hoch, sonst knallt’s!«, schrie die Dame mit dem Vollbart. Und jetzt wurde der Rabe weiß im Gesicht und hob die Hände hoch und stand da und zitterte, während die bärtige Dame nach der Polizei brüllte, dass es auf der ganzen Festwiese von Hultsfred zu hören war.
    Die Polizei kam und seitdem hat man den Raben nie wieder gesehen, weder in Hultsfred noch irgendwo anders, und es war Schluss mit der Stehlerei in Småland. Jaja, so kann’s gehen. Die Dame mit dem Vollbart brachte es zu großem Ruhm, weil sie den Raben gefangen hatte. Aber niemand schrieb eine Zeile über Michel und seine Büsse. Deshalb finde ich, es ist an der Zeit, dass einmal jemand erzählt, wie es wirklich zugegangen ist.
    »Es war schon ein Glück, dass ich beides nach Hultsfred mitgenommen habe, meine Müsse und meine Büsse«, sagte Michel, als die Polizisten mit dem Raben gegangen waren, um
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