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Michel in der Suppenschüssel

Michel in der Suppenschüssel

Titel: Michel in der Suppenschüssel
Autoren: Astrid Lindgren
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Mähre für Julia. Aber er fand Markus und das war noch besser. Markus stand, an einen Baum gebunden, hinten am Waldrand und fraß Heu. Und ganz dicht dabei stand der alte Wagen der Katthulter, den Michel so gut kannte. Julia war froh, als sie Markus sah, das merkte man 
     

     
    Michel band sie an denselben Baum und holte einen Arm voll Heu aus dem Wagen. In jenen Zeiten hatte man das immer bei sich für die Pferde. Julia begann sofort zu fressen und da spürte Michel, dass er auch hungrig war.
    »Obwohl ich eigentlich kein Heu esse«, sagte Michel.
    Und das war ja wohl auch nicht nötig. Auf der Wiese gab es massenhaft kleine Stände, an denen man sich Butterbrote und Würstchen und Brötchen und Torten kaufen konnte, so viel man wollte – wenn man nur Geld hatte.
    Und für den, der ein lustiges Leben führen wollte, gab es dort eine Menge lustiger Sachen: einen Zirkus und eine Tanzfläche und einen Rummelplatz mit Karussell und anderen Vergnügen … Stell dir vor, dort gab es sogar einen Schwertschlucker, der Schwerter schlucken konnte, und einen Feuerfresser, der Feuer fressen konnte, und dann eine prächtige Dame mit einem Vollbart, die aber nichts anderes schlucken konnte als alle Stunde einmal Kaffee und Brötchen. Davon wurde sie natürlich 
     

     
    nicht reich, aber glücklicherweise hatte sie ihren Bart. Den zeigte sie für Geld und verdiente damit richtig gut.
    Alles kostete Geld auf der Festwiese in Hultsfred. Und Michel hatte kein Geld. Doch er war ein pfiffiger kleiner Bursche, wie ich schon sagte. Er wollte ja so viel wie möglich sehen und er fing mit dem Zirkus an, weil es am leichtesten war. Er brauchte nur an der Rückseite des Zeltes auf eine Kiste zu klettern und durch ein Loch in der Zeltplane zu gucken.
    Aber Michel lachte so schrecklich über den Clown, der in der Manege herumsprang und seine Späße machte, dass er mit einem Krach von der Kiste fiel und sich den Kopf an einem Stein stieß. Da pfiff er auf den Zirkus. Im Übrigen war er hungrig, noch schlimmer als vorher.
    »Ein lustiges Leben ohne Essen taugt nichts«, sagte Michel, »und ohne Geld bekomme ich nichts zu essen. Also muss ich jetzt nachdenken.« Er hatte ja gesehen, dass man dort auf der Festwiese auf sehr verschiedene Weise Geld verdienen konnte, und da musste es für ihn doch auch eine Möglichkeit geben. Feuer und Schwerter konnte er nicht schlucken, einen Bart hatte er nicht – was sollte er machen?
    Michel stand also da und dachte nach. Und dann sah er, dass ein armer alter blinder Mann auf einer Kiste mitten im Volksgedränge saß. Er sang die traurigsten Lieder und es klang so jämmerlich, aber 
     

     

     
    er bekam Geld dafür. Er hatte seinen Hut neben sich auf die Erde gelegt und freundliche Menschen warfen die ganze Zeit Kleingeld hinein.
    Das kann ich auch, dachte Michel und zum Glück hab ich ja meine Müsse bei mir. Er legte die Mütze vor sich auf den Boden und stellte sich hin und fing an, denen, die zuhören wollten, etwas vorzusingen:
    »Mein’ Mähre läuft nicht wie der Wind … «
    Im Nu waren eine Menge Leute um ihn herum. »Oh, was für ein netter kleiner Junge!«, sagten sie. »Er muss sehr, sehr arm sein, wenn er hier rumsteht und für Geld singt.«
    Zu der Zeit gab es viele arme Kinder, die nichts zu essen hatten, und jetzt kam eine freundliche Dame zu Michel heran und fragte:
    »Mein kleiner Freund, hast du heute schon etwas zu essen gehabt?«
    »Ja, aber nur Heu!«, sagte Michel.
    Da tat er allen sehr Leid. Ein netter kleiner Bauer aus Vena hatte Tränen in den Augen. Er weinte über das arme Kind, das da so einsam stand und so schönes wolliges Haar hatte.
    Alle fingen an, Zwei-Öre-Stücke und Fünf-Öre-Stücke und Zehn-Öre-Stücke in Michels Müsse zu werfen. Der kleine nette Bauer aus Vena suchte ein Zwei-Öre-Stück aus der Tasche hervor, aber er besann sich, bevor es zu spät war, und steckte es wieder ein und dann flüsterte er Michel zu:
    »Wenn du mitkommst zu meinem Wagen, kannst du noch etwas mehr Heu haben!«
    Aber Michel war ja jetzt reich und hatte die Mütze voller Geld. Er ging also lieber los und kaufte sich eine ganze Ladung Butterbrote und Brötchen und Kuchen und Saft.
     

     
    Als er das alles in sich hineingestopft hatte, fuhr er zweiundvierzigmal Karussell – für vier Kronen und zwanzig Öre. Michel war noch nie Karussell gefahren. Er hatte nicht gewusst, dass es so was Lustiges auf der Welt gab.
    Nun führe ich auf jeden Fall ein lustiges Leben, dachte er,
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