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Michel bringt die Welt in Ordnung

Michel bringt die Welt in Ordnung

Titel: Michel bringt die Welt in Ordnung
Autoren: Astrid Lindgren
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Er und Michels Papa sprachen ziemlich lange über die Auktion und alles, was dort geschehen war. Deswegen dauerte es eine gute Weile, bis Michels Papa Michel herausholen konnte. Aber sobald der Bastefall-Bauer sich wieder auf den Weg gemacht hatte, lief er zum Tischlerschuppen.
    Als er näher kam, sah er die kleine Ida auf einer Fußbank vor dem Fenster des Tischlerschuppens sitzen. Sie hielt das Samtkästchen mit den Schneckenhäusern in den Händen. Sie hielt es so, als sei es das Schönste, was sie je in ihrem Leben bekommen hatte. Und das war es auch. Aber Michels Papa brummte:
    »Wahnsinnsgeschäfte! Ein altes Samtkästchen!«
    Klein-Ida merkte nicht, dass ihr Papa kam. Deshalb schwieg sie auch nicht, sondern fuhr fort, nett und folgsam die Wörter nachzusprechen, die Michel ihr aus dem dunklen Tischlerschuppen zuzischte. Michels Papa wurde bleich, als er sie hörte – Kirchenältester, der er war –, denn gräulichere Worte waren auf Katthult nie zuvor ausgesprochen worden, und sie wurden nicht besser dadurch, dass Klein-Ida sie mit so weichem hellem Stimmchen sagte.
     

     
    »Still, Ida!«, brüllte Michels Papa. Dann steckte er die Hand durchs Fenster und packte Michel am Kragen. »Lümmel du, bringst du deiner Schwester das Fluchen bei?« »Das tu ich ja gar nicht«, sagte Michel. »Ich hab ihr nur gesagt, dass sie niemals ›zum Himmeldonnerwetter noch mal‹ sagen darf, und dann hab ich noch eine Menge anderer Wörter in sie hineingestopft, vor denen sie sich hüten soll wie vor offenem Feuer.« 
     
    Ja, nun weißt du, was Michel am 12. Juni angestellt hat. Wenn auch nicht alles so besonders gut war, muss man doch zugeben, dass er schlaue Geschäfte gemacht hat an diesem Tag. Stell dir vor, sich auf einmal so viel anzuschaffen: eine gute Milchkuh, eine ausgezeichnete Legehenne, einen prächtigen Brotschieber und außerdem so viel Milch, dass sie für einen großen herrlichen Käse reichte!
    Das Einzige, worüber sein Papa murren konnte, war vielleicht das alte Samtkästchen, das zu nichts auf der Welt nütze war, von Klein-Ida aber so sehr geliebt wurde. Sie legte ihren Fingerhut und ihre Schere hinein und ein kleines Gesangbuch, das sie in der Sonntagsschule bekommen hatte, eine hübsche blaue Glasscherbe und ihre rote Haarschleife. Als sie das Kästchen bekam, lag ein Bündel alter Briefe darin, das sie sofort auf den Fußboden warf. Aber als Michel, aus dem Tischlerschuppen befreit, am Samstagabend in die Küche kam, sah er die Briefe in einer Ecke liegen und nahm sie an sich.
    Alfred ging mit einer Fliegenklatsche herum und schlug aus Leibeskräften nach den Fliegen, denn Lina sollte es wenigstens am Sonntag fliegenfrei haben, und ihm zeigte Michel die Briefe.
    »Alles kann mal zu was Nutze sein«, sagte Michel.
    »Sollte ich einmal Briefe wegschicken müssen, dann habe ich hier einen Haufen, die schon geschrieben sind.«
    Obenauf lag ein Brief aus Amerika, und als Michel ihn sah, stieß er einen leisen Pfiff aus.
    »Guck mal, Alfred, hier haben wir bestimmt den Brief von Adrian!«
    Adrian war der älteste Sohn von Backhorva, der vor langer Zeit nach Amerika gefahren war und während der ganzen Zeit nur ein einziges Mal nach Hause geschrieben 
     

     
    hatte. Das wusste ganz Lönneberga und alle waren wütend auf Adrian, denn die armen Eltern taten ihnen Leid. Aber was Adrian geschrieben hatte, als er schrieb, das wusste niemand, darüber hatten sie auf Backhorva geschwiegen.
    »Aber jetzt kann man es vielleicht erfahren«, sagte Michel, der tüchtige Junge, der sich selbst das Lesen beigebracht hatte, gedruckte und geschriebene Buchstaben.
    Er öffnete den Brief und las ihn Alfred laut vor. Es ging schnell, denn der Brief war kurz. Und das stand darin:
    »Ich habe einen Behren gesen. Schieke euch Adrässe. Gutbaj für dieses Maat.«
    »Von diesem Brief werd ich kaum Nutzen haben«, sagte Michel.
    Aber da sollte er sich ganz schön irren. Dann kam der Abend. Samstag, der 12. Juni, ging seinem Ende zu, die Nacht senkte sich über Katthult und brachte Stille und Ruhe allen, die dort wohnten, den Menschen und den Tieren. Allen außer Lina, die Zahnschmerzen hatte. Sie lag wach in ihrer aufgeklappten Küchenbank und stöhnte und jammerte, während die kurze Juninacht kam und ging und ein neuer Tag anbrach. Ein neuer Tag auch in Michels Leben. Es war

Sonntag, der 13. Juni,
als Michel drei tapfere Versuche
machte, Linas Backenzahn zu ziehen,
und danach Klein-Ida
ganz blau anmalte
     
    Die Kühe
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