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Metro 2034

Metro 2034

Titel: Metro 2034
Autoren: Dmitry Glukhovsky
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Feldkommandeur? Schon eher. Und, wie es schien, ein legendärer noch dazu .
    Homer musterte noch einmal verstohlen das ausdruckslose, gleichsam gelähmte Gesicht des Brigadiers. Der Hundename passte erstaunlich gut zu ihm. »Ich brauche noch zwei Mann. Homer kommt mit, er kennt die Tunnel hier.« Der Brigadier bat den Alten nicht um sein Einverständnis, ja er wandte sich ihm nicht einmal zu. »Den anderen könnt ihr auswählen. Einen Läufer, einen Kurier. Ich gehe noch heute los.«
    Istomin nickte hastig, doch dann besann er sich und sah den Oberst fragend an. Dieser murmelte finster sein Einverständnis, obwohl er all diese Tage so verzweifelt mit dem Stationsvorsteher um jeden Mann gerungen hatte. Homers Meinung schien niemanden zu interessieren, aber er dachte auch nicht im Entferntesten daran zu protestieren. Trotz seines Alters hatte er sich noch nie geweigert, derartige Aufträge auszuführen. Er hatte seine Gründe.
    Der Brigadier nahm seinen Helm vom Tisch und ging auf den Ausgang zu. Einen Augenblick lang hielt er in der Tür inne, dann sagte er in Homers Richtung: »Verabschiede dich von deiner Familie. Rüste dich für einen langen Marsch. Nimm keine Patronen mit, du bekommst sie von mir.« Dann verschwand er.
    Homer lief ihm nach, um wenigstens ungefähr zu erfahren, was ihm bei dieser Expedition bevorstand. Doch als er auf den Bahnsteig kam, sah er, dass Hunter sich bereits mit riesigen Schritten entfernt hatte. Es war aussichtslos ihn einzuholen. Kopfschüttelnd blickte Homer ihm nach.
    Entgegen seiner Gewohnheit hatte der Brigadier seinen Helm nicht aufgesetzt. Vielleicht war er einfach in Gedanken versunken, oder er brauchte mehr Luft. Er kam an ein paar jungen Mädchen vorbei, die träge auf dem Bahnsteig herumsaßen. Es waren Schweinehüterinnen, die gerade Mittagspause hatten. Plötzlich flüsterte eine von ihnen ihm hinterher: »Schaut mal, Mädels, was für ein Zombie!«
    »Wo hast du denn den ausgegraben?«, fragte Istomin. Erleichtert sank er auf seinem Stuhl zusammen und streckte seine dicken Finger nach einer Packung Papirossapapier aus.
    Das Kraut, das an dieser Station mit Genuss geraucht wurde, hatten angeblich Stalker an der Oberfläche unweit des Bitzewski-Parks gefunden. Einmal hatte der Oberst zum Spaß einen Geigerzähler an ein Päckchen »Tabak« gehalten, und dieser hatte tatsächlich unheilvoll zu ticken begonnen. Er entschloss sich umgehend mit dem Rauchen aufzuhören, und der Husten, der ihn bis dahin immer nachts heimgesucht und mit der Vorstellung von Lungenkrebs gequält hatte, ließ etwas nach. Istomin dagegen weigerte sich, der Geschichte mit der Radioaktivität zu viel Bedeutung beizumessen. Und er hatte nicht ganz unrecht - in der Metro gab es so gut wie nichts, das nicht mehr oder weniger »strahlte«.
    »Wir kennen uns schon ewig«, erwiderte der Oberst unwillig. Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: »Früher war er anders. Irgendetwas ist mit ihm passiert.« »Seinem Gesicht nach zu urteilen, ist ganz sicher was mit ihm passiert.« Der Stationsvorsteher hüstelte und blickte nervös zum Eingang hinüber, als befürchte er, Hunter könne seine Worte hören.
    Der Kommandeur der Außenposten wollte sich keineswegs darüber beschweren, dass der Brigadier so plötzlich aus dem Nebel der Vergangenheit aufgetaucht war; schließlich hatte sich dieser in kürzester Zeit zur wichtigsten Stütze des südlichen Außenpostens entwickelt. Doch konnte Denis Michailowitsch die Rückkehr seines alten Bekannten noch immer nicht ganz glauben.
    Die Nachricht von Hunters furchtbarem und zugleich seltsamem Tod hatte sich ein Jahr zuvor wie ein Tunnelecho in der Metro verbreitet. Als er dann vor zwei Monaten plötzlich vor der Tür des Oberst erschien, hatte sich dieser hastig bekreuzigt. Die Leichtigkeit, mit der der Auferstandene die Wachposten passiert hatte - als wäre er durch die Kämpfer hindurchgegangen -, schürten bei Denis Michailowitsch Zweifel daran, ob alles mit rechten Dingen zuging.
    Das Profil, das er durch den beschlagenen Türspion erblickte, kam ihm irgendwie bekannt vor: der Stiernacken, der glänzende Schädel, die leicht eingedrückte Nase. Doch der nächtliche Gast verharrte aus irgendeinem Grund halb abgewandt, hielt den Kopf gesenkt und machte keine Anstalten, die angespannte Stille aufzulösen. Der Oberst warf einen bedauernden Blick auf die geöffnete Flasche Süßwein auf seinem Tisch, seufzte tief und schob den Riegel am Türschloss beiseite. Der Kodex
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