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Messias-Maschine: Roman (German Edition)

Messias-Maschine: Roman (German Edition)

Titel: Messias-Maschine: Roman (German Edition)
Autoren: Chris Beckett
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genau das wäre, was ich mir immer gewünscht habe: im SenSpace zu leben und ihn nie wieder verlassen zu müssen. Aber mittlerweile bin ich den SenSpace leid. Manchmal miete ich mir einen Körper und gehe ein bisschen draußen spazieren, aber ich weiß eigentlich nicht, wo ich hingehen soll. Es gibt niemanden, den ich besuchen könnte. Außerdem ist es mit einem Mietkörper einfach was anderes. Man spürt zum Beispiel nicht die Luft auf der Haut.«
    Wir sahen den elektronischen Fischen zu, wie sie in ihrem Becken umherschwammen.
    »Sie haben Charlie verschrottet, als sie die Wohnung ausgeräumt haben.«
    »Das hatte früher oder später so kommen müssen.«
    »Ja!«, rief Kleine Rose mit ehrlicher Empörung. »Aber sie hätten ihn nicht einfach wegwerfen dürfen, ohne mich vorher zu fragen.«
    »Da hast du wohl recht.«
    »Ich will aus dem SenSpace raus«, sagte Ruth, nachdem etwas Zeit verstrichen war.
    »Tja, das ist jetzt unmöglich, oder?«
    »Nein, nicht unmöglich. Weißt du, ich habe da einen Plan …«

    Der Plan überraschte mich. Er verlangte mehr Mut, als ich Ruth zugetraut hatte.
    »Aber das bedeutet«, sagte ich, »das bedeutet, du wirst …«
    Kleine Rose lachte. »Die Stunde ist um. Schau! Zack! Und weg ist er!«

Kapitel 72
    I ch traf mich in einer Mietkörperzentrale mit Ruth. Sie war natürlich nicht als Ruth zu erkennen. Ihr Mietkörper war ein Syntec in Gestalt einer hübschen jungen Frau mit langen roten Haaren.
    »Gehen Sie ein bisschen auf und ab«, forderte der Techniker sie auf. »Es fühlt sich immer erst mal komisch an, bis man an einen virtuellen Körper gewöhnt ist.«
    »Ja, ich weiß, ich habe Mietkörper schon vorher verwendet«, antwortete die Rothaarige und machte ein paar Schritte.
    »Wie es einen nach unten zieht«, sagte sie zu mir. »Dieser Planet, dieser Felsklotz, der einen anzieht! Dort drinnen vergisst man einfach, was Schwerkraft wirklich bedeutet!«
    Es war seltsam, sie so reden zu hören, als versuchte sie zum ersten Mal, ihr Sein tatsächlich zu genießen.
    »Im SenSpace kann man nicht stolpern«, fügte sie hinzu, »man kann keinen Aufprall erleben, der Schmerz verursacht, man kann nicht …«
    Sie brach ab und trat ans Fenster. Die Mietkörperzentrale befand sich im zehnten Stock des SenSpace-Bürogebäudes, einen Häuserblock vom Meer entfernt.
    »Die Türme kommen einem immer so klein vor!«, rief sie aus.
    »Das sagen alle!«, erwiderte der Techniker lachend. »Obwohl es sich um die höchsten Türme der Welt handelt. Wie Sie bereits sagten, hier in der langweiligen alten Realität dürfen wir die Schwerkraft nicht außer Acht lassen.«
    Ruth seufzte.
    »Ich dachte immer, die Realität wäre alt und langweilig, aber wissen Sie, es ist gut, einen Turm zu betrachten und dabei zu wissen, dass jede Tonne Beton gegen den Zug der Schwerkraft emporgehoben werden musste. Im SenSpace bedeutet es überhaupt nichts, ein Gebäude zu errichten – es ist, als ob man auf einem Stück Papier herumkritzelt.«

    Wir fuhren mit dem Fahrstuhl hinunter und traten auf die Straße. Es war ein heller, heißer Sommertag. Eine Weile standen wir bloß da und schauten zu, wie die Leute an uns vorübergingen. Auf mich, der ich so lange draußen gewesen war, wirkten sie wohlgenährt, gepflegt und in ihren knappen Sommerkleidern erschreckend aufreizend. Doch für Ruth, die die körperlich makellosen Bewohner des SenSpace gewohnt war, war es andersrum: Die Leute kamen ihr unbeholfen, übergewichtig und schlecht proportioniert vor und trugen Kleider, die nicht richtig passten oder an den falschen Stellen Falten warfen.
    »Echte Menschen sind so hässlich! «, sagte sie lächelnd.
    Wir tauchten in den Strom von Menschen ein. Ruth schaute sich alles an, nahm alles in sich auf. Sie hatte keinen Geruchssinn, atmete nicht, und da all ihre Eindrücke über den SenSpace an ihr Gehirn gesendet wurden, wies ihre Sicht dieselbe leichte Körnung auf, die sie auch im SenSpace hatte. Trotzdem konnte sie sich die Leute ansehen und wusste dabei zumindest, dass das hier für sie die echte Wirklichkeit war.
    Wir gingen eine Weile durch die Straßen und am Meer entlang.
    An der Leuchtturmspitze fuhren sich die Riesenräder aus, wurden schneller, zogen sich wieder ein, blieben dann schließlich stehen.
    Wir bogen in die Straße der Wissenschaften ein.
    ROBOTER-MESSIAS BRINGT GANZ SKOPJE ZUM STILLSTAND
    lautete die Schlagzeile draußen am Nachrichtengebäude, und der riesige Monitor zeigte Bilder von gewaltigen
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