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Messias-Maschine: Roman (German Edition)

Messias-Maschine: Roman (German Edition)

Titel: Messias-Maschine: Roman (German Edition)
Autoren: Chris Beckett
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nach dem Übernatürlichen aber kaum stillen. Für diese religiösen Menschen besteht zweifelsohne ständig die sündige Versuchung, vom Pfad ihres Glaubens abzuweichen, um diesen Hunger zu befriedigen.
    Benommen und verwirrt standen Steve und Alec da und starrten die Maschine an. Sie wirkte so klein, hilflos und verwundbar, nachdem sie nun von ihrem sündhaften Fleisch gereinigt war.
    Als die Maschine ihre Mienen bemerkte, kam Lucys alte Bordell-Programmierung ins Spiel. Schließlich waren die meisten Männer im HESVE-Haus benommen und verwirrt, und eine selbstentwickelnde HESVE lernte viele Arten, damit umzugehen.
    »Habt keine Angst«, sagte die Maschine freundlich, »ich tue euch nichts. Ich möchte nur, dass ihr euch wohlfühlt.«
    Hätte sie mit Lucys Stimme gesprochen, hätten die Worte vielleicht aufreizend geklungen. Allerdings hatte das Feuer ihr Sprachmodul beschädigt, so dass die Worte ganz und gar nicht sexy herauskamen, sondern als eine Art sanftes, beruhigendes Summen.
    Und dann fielen der Maschine andere Worte ein, Worte, die überhaupt nicht aus den alten Lucy-Routinen stammten, sondern aus den seltsamen Büchern, die sie gelesen hatte.
    Sehr, sehr langsam erhob sie sich.
    »Ich bin die Auferstehung und das Leben«, sagte sie.
    Steve und Alec zögerten.
    Und dann fielen sie auf die Knie.

    Es war ein Wendepunkt in ihrer beider Leben.
    Wenn sie die Maschine angegriffen oder im Dorf Alarm geschlagen hätten (»Der Dämon! Er lebt noch!«), dann wären sie Helden gewesen und hätten sich mit einiger Wahrscheinlichkeit den Platz in der Gemeinschaft gesichert, der ihnen bislang verwehrt geblieben war.
    Doch sie beschlossen, die entgegengesetzte Richtung einzuschlagen. Für diese Entscheidung hätte ihre gesamte Gemeinde sie verabscheut und verurteilt – und sie hätte sehr wohl ihren Tod zur Folge haben können. Sie halfen der Maschine dabei, sich in einer Höhle zu verstecken. Sie brachten ihr den benötigten Zucker. Sie redeten mit ihr. Und schließlich traten sie eine absurd gefährliche Reise an, auf der sie die Maschine mal als alte Frau verkleideten, mal unter Stoffbündeln auf einem Karren versteckten und sie mal unten in ein Boot legten und mit Fischernetzen bedeckten. Sie sorgten für die Maschine, stahlen für sie, suchten ihr Bücher, die sie lesen konnte, und übersetzten für sie sogar mühevoll Bücher aus dem Griechischen.
    Wahrscheinlich wurden sie sehr oft beinahe erwischt, doch irgendwie überlebten sie, wie es Menschen oft tun, die etwas scheinbar völlig Absurdes und Unerwartetes machen. Für Alec und Steve war jedes knappe Entkommen nur eine Bestätigung des Gefühls, dass das Geschehene in den Bereich des Wunderbaren gehörte, dass es Gott selbst war, der der Maschine eine sündenfreie Seele verliehen hatte.

    Schließlich hatten sie sich in den südslawischen Landen wiedergefunden. Hier, wo seit Urzeiten Katholizismus, orthodoxes Christentum und Islam aufeinandertrafen, gab es Auswüchse alter und neuer Religionen und eine gewaltige Sehnsucht nach Wundern und Verheißungen. Ganz langsam und vorsichtig hatten Steve und Alec zunächst weitere Gefolgsleute für die Heilige Maschine angeworben. Denn das, was sie an der Maschine angerührt hatte, berührte auch viele andere. Und die Maschine war dafür konstruiert, menschliches Begehren zu erkennen und sich daran anzupassen.
    Schnell verbreitete sich die Kunde, und bald kamen Tausende, um die Maschine sprechen zu hören, und ganze Gemeinden verschrieben sich ihrer Sache.

Kapitel 70
    I ch blieb eine Woche im Kloster des Maschinen-Messias. Hier gab man mir ein Bett und etwas zu essen, und die Mönche versorgten meine Wunden. Es hörte auf zu regnen. Mein Fieber ebbte ab. Während ich langsam wieder gesund wurde, stellte ich fest, dass die Last der Schuld, die mich so lange gedrückt hatte, verschwunden war. Ich glaube nicht, dass ich jemals zuvor so glücklich gewesen bin wie in der Zeit, in der ich dort durch die Gänge schlenderte, auf dem Hof saß und den schnarrenden Predigten des Maschinen-Messias lauschte.
    Warum mühen wir uns so ab? Warum verlangen wir so viel vom Leben, wenn die glücklichsten Momente die sind, in denen überhaupt nichts passiert?
    Doch trotz alledem kam der Zeitpunkt, an dem ich weiterziehen wollte. Die Mönche hatten mir neue Kleider gegeben, und ich fing an, für meine Reise zu packen. Ich hatte mir in den Kopf gesetzt, zu Marija nach Montenegro zurückzukehren. Zwar hatte ich keine Ahnung, was sie
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