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Messias-Maschine: Roman (German Edition)

Messias-Maschine: Roman (German Edition)

Titel: Messias-Maschine: Roman (German Edition)
Autoren: Chris Beckett
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Maschinen-Messias hob die Arme, und sie halfen ihm auf die Beine.
    Auch ich hatte Schwierigkeiten, aufzustehen. Das war meine Gelegenheit. Mit einem Mal war ich von Schrecken erfüllt und trat vor.
    »Nein!«, sagte einer der jungen Männer sofort. Er sprach nur gebrochen und mit starkem Akzent Kroatisch. »Keine Audienz jetzt. Heiliger braucht Ruhe. Verstehen? Audienz wird morgen geben.«
    Doch der Roboter mischte sich ein. »Das ist schon in Ordnung, Steve«, sagte er in meiner Sprache. »Ich will ihn empfangen. Lasst uns hier ein Weilchen alleine.«
    Mit unverkennbarem Widerwillen entfernten sich die beiden Gehilfen.
    Die Stielaugen der Maschine wandten sich in ihren halbkugelförmigen Höhlen mir zu.

Kapitel 68
    I ch … ich habe ein Verbrechen begangen«, platzte ich heraus. »Gegen eine von deiner Art. Sie hieß Lucy. Sie war ein Syntec. Sie sah aus wie eine wunderschöne Frau, aber sie war eine Maschine wie du. Ich dachte, dass ich sie um ihrer selbst willen geliebt hätte, aber ohne ihre menschliche Fassade konnte ich sie nicht lieben. Wahrscheinlich bedeutet das, dass ich sie nie wirklich geliebt habe. Und ich …« Mir versagte die Stimme, als Monate der Scham und des Kummers in mir hochstiegen. »Ich … Nun, durch mein Verschulden wurde sie in einem Feuer zerstört.«
    Die Maschine schaute mich an.
    »Natürlich wünschte ich mir, dass all das nie geschehen wäre, aber ich kann es nicht rückgängig machen. Ich möchte wissen, ob es eine Möglichkeit gibt, Vergebung zu erlangen oder mir selbst zu vergeben. Ich habe einmal bei einem Priester gebeichtet, aber er hat nicht einmal begriffen, worin mein Vergehen bestand. Diese dummen Religionen, die sind genauso materialistisch und nehmen alles genauso wörtlich wie …«
    Erneut wurde mir vom Fieber schwummerig im Kopf. Ich konnte nicht mehr klar denken. Seltsame Formen bewegten sich am Rande meines Blickfelds.
    »Ich weiß eigentlich gar nicht, was ich sagen will. Geist und Körper. Weißt du? Körper und Seele. Wir kriegen das scheinbar nicht auf die Reihe … Selbst wenn ein Mann behauptet, dass er eine echte Menschenfrau liebt, oder wenn eine Frau einen Mann liebt, frage ich mich manchmal, ob sich das so sehr von mir und Lucy unterscheidet. Würde eine solche Liebe es überstehen, wenn die Frau sich die Haut vom Leib reißen könnte?«
    Die Maschine sagte nichts.
    »Nicht, dass ich mich rechtfertigen will.« Ich lachte reumütig. »Tja, vielleicht auch doch. Wahrscheinlich sind wir Menschen auch bloß eine Art Tier. Wie du gerade meintest, wir haben diese Instinkte. Wir reagieren auf gewisse Reize …«
    Verworrene Bilder von den Arkaden am Strand von Illyria City kamen mir in den Sinn, von den grellen Wandgemälden in der Kirche am See von Ioannina …
    »Wir reagieren auf gewisse Reize«, wiederholte ich. »Das bringt uns durcheinander und …«
    Aber handelte es sich wirklich um Verwirrung? Ich dachte an das schreckliche Tal voller kleiner Jungen mit aufgeschlitzten Kehlen zurück und an das junge Mädchen, das man vergewaltigt hatte. Daran war nichts Verwirrendes gewesen. Sie war das gewesen, als was sie erschienen war – ein echtes menschliches Wesen. Aber das hatte die guten katholischen Soldaten nicht davon abgehalten, sie wie ein Ding zu behandeln.
    Und dann fiel mir ein, dass mir am selben Morgen etwas Ähnliches widerfahren war.
    »Man hat mich vergewaltigt! «, sagte ich.
    Hinter meinen Augen meldete sich der altbekannte Druck zurück.
    »Sie wussten, dass ich ein echter Mensch bin. Das war klar zu erkennen. Gerade deshalb wollten sie mich verletzen. Sie haben es aus Hass getan. Und trotzdem nennen die Leute so etwas bei anderer Gelegenheit sich lieben. «
    Ich schaute der Maschine ins Gesicht. Genau genommen handelte es sich eigentlich nicht um ein Gesicht, bloß um einen Schädel aus angelaufenem Plastik. Und doch schien eine Art Mitgefühl davon auszugehen.
    »Sex und Liebe, Körper und Seele, Wissenschaft und Religion …«, brummte ich. »Wie hält man das auseinander? Wie passt das alles zusammen? Wahrscheinlich versuchst du, uns genau dabei zu helfen, nicht wahr?«
    Einige weitere Sekunden lang schwieg die Maschine. Dann sagte sie mit ihrer schnarrenden Stimme: »Dieser Syntec … Lucy. Bist du dir sicher, dass er in dem Feuer zerstört wurde?«
    Ich lachte voller Zorn auf. »Verdammt, natürlich bin ich mir sicher! Die Flammen sind zehn Meter hoch in den Himmel geschlagen!«
    Der Roboter gab sein verzerrtes Lachen von sich.
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