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MERS

MERS

Titel: MERS
Autoren: D.G. Compton
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Gerichtshof. Wenn das Ministerium nein sagt, stehen die Chancen gut dafür, daß das Ministerium genau weiß, was es tut.«
    »Meinst du?«
    »Du hast mich um meinen Rat gebeten. Das ist mein professioneller Ratschlag.«
    »Okay.« Das Wort blieb mir fast im Hals stecken, aber ich mußte glaubwürdig wirken. »Ich werde tun, was du gesagt hast. Ich bin kein Märtyrer-Typ. Abgesehen davon, was täte Annie, wenn ihre Mutter im Gefängnis säße? Und Mark…«
    »Was ist mit meinen Aussichten auf Karriere? Berühmte Wissenschaftlerinnen überlebe ich. Fernseh-Greens auch. Knackies überlebe ich nicht.«
    Ich lachte. Ich mußte es einfach tun – er war ein schrecklicher Schauspieler, aber wir sahen denselben jüdischen TV-Comic.
    »Vielen Dank für den Rat, Danno. Ich werd brav sein.«
    »Schön. Schön… Schließlich werden sie dich verwanzt haben.« Verwanzt? So bald nicht – man verwanzte Gesetzesbrecher auf Bewährung, und außerdem benötigte man dazu eine behördliche Genehmigung. Für Zapfstellen allerdings auch. Er sagte mir, daß sie mich hatten, gleich, wie ich’s drehte und wendete. »Wenn du den Zusatz unterschreibst, Harri, hat er dich in den Klauen… Wie geht’s dir ansonsten so? Was macht Mark? Und die kleine Annie?«
    »Uns geht’s ziemlich gut. Annie ist nicht so klein. Sie wird bald fünfzehn. Und wie geht’s dir?«
    »Besser denn je.«
    »Und Bert?«
    »Bert geht so dahin.«
    Bert Breitholmer war ebenfalls Officer beim NatSich. Sie teilten eine Etagenwohnung, seitdem Danno beim NatSich angestellt worden war. Ich war ihm nie vorgestellt worden, aber ich hatte ihn einmal auf der Straße gesehen. Er war älter als Danno, eine überwältigende Gegenwart, und ich hatte geglaubt, zwischen ihnen wäre etwas Sexuelles. Mark sagte, Kuppelei sei Teil des weiblichen Verlangens nach Kontinuität, aber falls Bert noch immer vorhanden wäre, hätte ich möglicherweise doch recht.
    Wir warteten. Einer von uns beiden hatte jetzt die Chance, etwas Richtiges zu sagen. Ich hätte ihm sagen können, daß ich Papas Selbstmord ins Spiel gebracht und mir gewünscht hatte, ich hätte es nicht getan. Er hätte mir etwas von seinem Leben mit Bert erzählen können. Wir hätten Neuigkeiten von unserer verrückten Mama in ihrem Insel-Kloster austauschen können. Wir hätten darüber reden können, warum wir nie miteinander redeten.
    »Nun, Harri… Zeit, wieder an die Arbeit zu gehen.«
    »Natürlich. Tat gut zu plaudern.«
    »Ja.«
    »Tun wir nicht oft genug.«
    »Du bist eine beschäftigte Dame.«
    »Das ist keine Entschuldigung.«
    »Scheiß Entschuldigungen. Wenn du Entschuldigungen brauchst, heißt das, es gibt keine.«
    »Wer hat das gesagt?«
    »Keine Ahnung. Ich hab’s getan. Tschüs, Harri.«
    »Bis dann mal, Danno.«
    Er legte auf. Wir beide wußten sehr gut, wer das gesagt hatte. Es waren Papas Worte gewesen.
    Einen Augenblick lang stand ich in der Zelle und brütete über den traurigen Dingen, die Familien zustießen. Dann verdrückte ich mich durch das Foyer das Ministeriums. Halb erwartete ich, von den Wächtern aufgehalten zu werden, wegen des ’97er Zusatzes, aber sie ließen mich durch.
    Draußen auf dem Bürgersteig schrie ein Zeitungskiosk einen weiteren Karate-Mord heraus, den sechsten, die sechste junge Frau, der die Kehle eingedrückt worden war. Janni Wintermann. Der Mord war keine Nachricht wert – Frauen starben oftmals gewaltsam –, lediglich die Methode. Immer mal wieder, ohne erkennbares Muster, eine eingedrückte Kehle. Ein Karateschlag, der den Medien zu ihrer billigen, oberflächlichen Schlagzeile verhalf, Karate-Killer… Arme Janni Wintermann. Ich sparte mir das Geld, dachte an Anna und war froh, daß nur wenige der Morde hier in der Stadt geschehen waren.
    Ich schlug den Kragen gegen die Kälte hoch, eilte über die Straße und stieg in eine Straßenbahn, die in meine Richtung fuhr. Eine zwanzigminütige, beruhigende Fahrt, Gummireifen auf Gummischienen, bis zum Beginn unserer Nachbarschaft. Ich versetzte mich in einen neutralen Zustand. Das war ein nützlicher Kniff. Sich zu überlegen, was als nächstes zu tun wäre, wenn ich mit Mark gesprochen hätte, dafür blieb noch genügend Zeit. Im Augenblick dachte ich über den nahenden Winter und über die Langlaufski nach, die wir Anna versprochen hatten.
    Unser Haus befindet sich in einer, wie ich zugeben muß, erstklassigen Gegend. Ein großes Haus aus dem vergangenen Jahrhundert, traditioneller Stil, schwarz und rot gestrichen,
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