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MERS

MERS

Titel: MERS
Autoren: D.G. Compton
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er ist Material für den Nobelpreis. Meine Ministerin weiß das genau. Erledigen Sie Ihre Hausarbeit ordentlich, und Sie werden ihre vollstmögliche Unterstützung erhalten.«
    Ich stand ebenfalls auf. Der Mann war zu durchsichtig – zuerst die Peitsche, dann das Zuckerbrot. Erschrecke die kleine Dame mit gräßlichen Drohungen zu Tode und schicke sie daraufhin mit dem Versprechen von Ruhm und Reichtum fort. Das Problem bestand lediglich darin, daß ich meine ›Hausarbeit‹ bereits erledigt hatte – mein ›Krempel‹ war bereits in Ordnung. Unser Team am Institut hatte die Ergebnisse das ganze letzte Jahr über und noch länger bestätigt. Nichts blieb mehr zu tun – ich war zur Veröffentlichung bereit.
    Ich würde veröffentlichen.
    Vorsichtig wich ich zurück, weg von Marton. Ich mußte aufpassen. Er war nicht dumm – eine zu rasche Kapitulation hätte er durchschaut.
    »In sechs Monaten, Dr. Marton, kommt die Unterstützung durch die Ministerin möglicherweise zu spät. Es zählt, wer als erster durchs Ziel geht, und meines Wissens wird uns in sechs Monaten jemand aus dem privaten Sektor zuvorgekommen sein. Die Patentrechte werden anderswohin gegangen sein, zu Brandt vielleicht oder zu Unikhem. Was wird die Ministerin dann den Steuerzahlern über die sechs Millionen erzählen, die sie von deren Geld in meine Arbeit gesteckt hat?«
    Er legte meine Akte in eine Schreibtischschublade und verschloß diese sehr umständlich. Jetzt trat er um den Schreibtisch herum und legte mir väterlich eine Hand auf die Schulter. Er hatte gewonnen, er konnte es sich leisten, großzügig zu sein.
    »Sie sind Wissenschaftlerin, meine Liebe. Überlassen Sie uns die Politik. Und vertrauen Sie unseren Verbindungen – wir werden die ersten sein, denen es zu Ohren kommt, wenn etwas Derartiges droht.«
    Er drehte mich um, und wir begannen mit dem weiten Spaziergang zur Tür. Ich sagte: »Mir gefällt es gar nicht, so wie jetzt einen Maulkorb umgelegt zu bekommen. Ich muß Sie warnen, daß ich kundigen anwaltlichen Rat einholen werde.«
    Er lächelte tolerant. »Bitte, tun Sie das! Ich bin zuversichtlich, daß jeder Anwalt bestätigen wird, was ich Ihnen gesagt habe.«
    »Und was soll ich den Organisatoren der WHO in Paris sagen? Sie haben mich eingeladen, im Dezember einen Artikel abzuliefern. Was soll ich denen sagen?«
    »Sagen Sie Ihnen, Sie werden kommen. Es ist eine große Ehre. Und Sie können doch gewiß etwas zusammenschustern .«
    Etwas zusammenschustern… mir wurde speiübel, und ich trat zur Seite, mich von ihm zu lösen. Seine Hand verweilte kurz auf meinem Hals und fiel dann weg.
    »Sie sind uns doch nicht etwa böse, meine Liebe?« Noch immer lächelnd. »Manchmal ist es Teil meines Jobs, den großen Vater zu spielen. Ich genieße es nicht, das verspreche ich Ihnen.«
    Ich glaubte ihm nicht. Es gefiel ihm. Als ich mich im Türrahmen umdrehte, war mein Lächeln gleichermaßen falsch. »Väter genießen es selten«, meinte ich zu ihm und war verletzter, als ich gedacht hätte. »Mein Vater hat es dermaßen genossen, das Ganze, daß er sich umgebracht hat. Luftröhre zerstört. Am eigenen Erbrochenen erstickt. Sie haben meine Akte gelesen, also wissen Sie das längst.« Ich warf einen Blick auf die Uhr. »Vielen Dank, daß Sie mir Ihre Zeit geschenkt haben, Dr. Marton. Zumindest weiß ich jetzt, woran ich bin.«
    Er hielt die Hand noch immer erhoben. Bereits beschämt über mich schüttelte ich sie. Papas Selbstmord mit ins Spiel zu bringen war billig. Es war kaum Oswald Martons Schuld gewesen. Warum schwärte es dann noch, selbst nach siebzehn Jahren?
    Wir trennten uns. Wenn er die Absicht gehabt hatte, eine letzte Warnung anzubringen, sagte ihm mein brüskes Benehmen, daß er sich deutlich genug ausgedrückt hatte. Er schloß die Tür hinter mir, und ich eilte davon, wobei meine flachen Absätze leise auf dem Marmorfußboden quietschten.
    Ich kochte. Ernste Porträts von Präsidenten glitten vorüber, sowie hin und wieder nationale Bergketten unter optimistisch rosafarbenem Schnee. Der rosafarbene Schnee munterte mich auf. Ich würde veröffentlichen. Ich hatte mich entschieden. Mit oder ohne Erlaubnis der Ministerin. Wenn nicht beim Kongreß in Paris, dann zu irgendeiner anderen Gelegenheit. Ich würde mein Recht auf wissenschaftliche Freiheit in Anspruch nehmen. Was könnten sie tun? Sobald ich veröffentlicht hätte, würde es die Ministerin nicht wagen, mich strafrechtlich zu verfolgen. Die Weltmeinung wäre auf
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