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MERS

MERS

Titel: MERS
Autoren: D.G. Compton
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dessen Tür offenstand, dahinter waren Gewehrständer. »Geh zu deinen lärmenden Spielzeugen zurück, Danno. Ich habe dich unterbrochen, wie ich sehe.«
    Ich griff nach dem Abschaltknopf.
    »Bleib dran! Bleib dran… Harri, tut mir leid. Ich hab bloß ’n Witz gemacht. Es war bloß ’n Witz.«
    Nie im Leben war es ein Witz. Aber bei mir war mal wieder die Sicherung durchgebrannt, und ich wußte auch den Grund dafür. Schuldgefühle. Warum hätte ich ihn auch sonst vier Jahre zu spät anrufen sollen, außer daß ich etwas gewollt hätte? »Tut mir auch leid, Danno. Ist ein schlimmer Tag gewesen… ich muß wirklich reden.«
    Er ließ sich auf der Kante des Schreibtischs nieder. »Schön. Schön…« Sein Bauch war dick, jedoch nicht lebensbedrohlich. »Ich hab meinen Mädels fünf Minuten freigegeben. Um fünfzehn Minuten werden sie jedoch auch nicht böse sein.«
    »Ich sehe keine Mädels, Danno.«
    »Du hast mich unten in der Halle überrascht. Ich leite eine Gruppe Rekruten bei ihren Schießübungen.« Zum Beweis hielt er ein Paar Ohrschützer hoch. »Unter uns gesagt, Harri, als Schützen sind die samt und sonders Nieten. Und das ist kein Sexismus; so was nennt man jungfräuliche Karten. Unpenetrierte Ziele. Zehn Nullen bei zehn Schüssen. Kaum zu glauben.«
    Er wurde wieder der Alte: traf mich, nach vier Jahren, mit seinen machohaften Äußerungen. Forderte mich zum Widerspruch heraus, was ich stets getan hatte. Insgeheim. Vielleicht nicht so insgeheim.
    »Ich stecke in der Tinte, Danno.«
    »Ich sag’s dir, für die Hälfte von denen ist ein Schießeisen so was wie ein Mode-Accessoire.«
    »Ich brauche einen Rat, Danno. Deinen Rat. Siehst du, ich habe ein wenig geforscht, und ich möchte die Ergebnisse veröffentlichen, und sie wollen mich daran hindern.«
    Ich sah, daß er sich zusammenriß. »Wer will dich daran hindern?« Er runzelte die Stirn. »Für wen arbeitest du dieser Tage eigentlich? Ich sehe dich im Fernsehen herumtönen, meine Schwester, die berühmte Wissenschaftlerin, aber…«
    »Ich arbeite für die Regierung, Danno. Für das Wissenschaftsministerium. Und sie schlagen mir das Sicherheitsprotokoll um die Ohren, nebst irgendeinem Zusatz, der…«
    »Siebenundneunzig? Nun, den ganz bestimmt. Ich meine, da du für sie arbeitest, hast du ihn unterschrieben, nicht?«
    »Muß ich wohl. Ich hab ’ne Menge unterschrieben. Sie können mich einsperren, schätze ich, aber… Habe ich nicht irgendwelche Rechte, Danno? Wenn nicht als Wissenschaftlerin, dann einfach als Bürgerin? Würde der Europäische Gerichtshof…?«
    »Halte mal kurz die Luft an, Harri! Sofort. Das mein ich wirklich, verdammich. Whow!«
    Der Bildschirm wurde leer. Ich wartete. Wir hatten die Verbindung nicht verloren – ich bekam noch immer Ton. Er hatte die Linse abgedeckt, vielleicht seine Mütze darüber gehängt. Ich wartete. Um mich herum im Foyer des Ministeriums eilige Schritte. Telefone läuteten, Lifttüren öffneten sich zischend.
    Das Bild kehrte zurück: Daniel, die Tür hinter ihm war jetzt geschlossen. »Harri? Zunächst, Harri, wenn sie das ’97er bemühen, bist du mit deinen Rechten am Ende. Du hast keine. Sie haben dich fester zugeschnürt als einer Nonne ihre…«
    Er brach ab. Selbstzensur? Wegen mir? Wegen mir keine Fotzen? Hatten wir beide uns also so sehr verändert?
    »Zweitens, Harri, gehe ich davon aus, daß du von einer Zelle aus anrufst und daß du deine Karte benutzt.«
    »Natürlich.« Die zensierte Fotze hatte mich aus der Fassung gebracht. »Wie anders wäre ich zu dir durchgekommen? Ich stehe offenbar noch immer auf deiner Zugangsliste bei NatSich, und meine Karte paßt, also…«
    Also… Der Cent fiel. Der Euro ebenfalls. Er sagte mir gerade, wenn NatSich meinen Stimmabdruck in einer Nanosekunde mit meiner Eurocard vergleichen konnte, dann konnten die Wachhunde des Ministeriums dies ebenfalls tun. Er sagte mir gerade, daß ich von jetzt an gezeichnet wäre. Telefonieren käme nicht mehr in Frage, nicht einmal von zu Hause. Wir hatten seit Jahren mit Eurocard bezahlt – das war einfacher. Sie war gleichfalls großartig dazu geeignet, Gespräche automatisch anzuzapfen. Die Karte weckte den Computer, und der Computer weckte die Zapfstelle.
    Das Ministerium hätte auch Marks Karte gespeichert. Ich mußte ihn unbedingt warnen.
    »Wenn du also meinen Rat hören willst, Harri, so lautet er, reg dich ab.« Er zeigte jemand Imaginärem außerhalb der Kamera den Stinkefinger. »Vergiß den Europäischen
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