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MERS

MERS

Titel: MERS
Autoren: D.G. Compton
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es um die staatliche Sicherheit geht, dann werden ihre Untergebenen manchmal das, was Sie vielleicht übereifrig nennen würden. Sie nehmen die Staatssicherheit sehr ernst, Dr. Ryder… Dr. Kahn-Ryder. Und das macht sie übereifrig.«
    Elvis hatte entzückt den Kopf zur Decke gehoben. Dann ertönte ein schwaches Klicken, und eine Messerklinge erschien in Sergeant Milhaus’ anderer Hand. Beide Ärmel hatte sie von den Handgelenken zurückgeschoben, und ehe ich mich hätte rühren oder einen Laut von mir geben können, schnitt sie ihm rasch die Kehle durch. Blut spritzte über den Teppich. Sie hielt ihn fest, während er zitterte und keuchte. Blut strömte unablässig, und nicht ein Tropfen davon fiel auf Sergeant Milhaus. Wie gelähmt sah ich schweigend zu und starb dabei mit ihm. Schließlich hörte es auf. Für eine nicht allzu große Katze war es eine überraschend große Menge Blut gewesen.
    Ihn sorgfältig von sich weghaltend beugte sich Sergeant Milhaus vor und erhob sich, wobei sie die muskulösen Oberschenkel benutzte. Völlig unter Schock sah ich ihr zu, neugierig darauf, was sie als nächstes täte. Sie ließ sich auf die Fersen nieder und legte Elvis ziemlich sanft in die Lache seines Bluts.
    Mir zitterten die Hände. Sie packte eine davon, drehte sie um und untersuchte die Handfläche. »Eltern können sehr achtsam sein«, meinte sie, »aber sie können nicht die ganze Zeit über achtsam sein. Und niemals genügend achtsam.« Sie legte meine Hand zusammen, tätschelte sie und reichte sie zurück. »Ich finde schon allein hinaus.«
    Sie richtete sich vorsichtig auf und schritt zur Tür.
    »Tut mir leid wegen des Teppichs. Ich werde sehen, daß man Ihnen die Rechnung erstattet, wenn Sie sie beim Ministerium einreichen.«
    Sie ging davon. Ich hörte sie erfolgreich an den automatischen Schlössern am Vordereingang hantieren, dann schloß dieser sich hinter ihr, und das Haus war still.

Der Bevölkerungsrückgang
Jahr 10: Anfang September
2

    »…also hat Gott die Welt geliebt, daß Sie Ihren eingeborenen Sohn schenkte, damit jene, die an ihn glauben, das ewige Leben haben sollen…«
    Kürzlich in einem Interview gefragt, ob sie einen bestimmten Vorfall in ihrer Kindheit isolieren könne, der Ausgangspunkt ihrer bemerkenswerten Karriere gewesen sei, hielt Dr. Kahn-Ryder charakteristischerweise inne und dachte nach. Dann entgegnete sie, daß alles vielleicht vor etwa dreißig Jahren begonnen habe, an einem Septembermorgen, dessen sie sich lebhaft entsann, im Jahr 10 des Bevölkerungsrückgangs, im Häuschen ihrer Eltern am Hafen an der Westküste. Dort, einige Kilometer den Windstrohm hinab, von den sogenannten Brandt-Laboratorien aus gesehen, war sie auch geboren worden. Spontan führte sie weiter aus, daß die Zukunft ihres Bruders Daniel in groben Zügen zur gleichen Zeit Gestalt angenommen habe, vielleicht sogar an eben jenem Tag.
    … Es war acht Uhr fünfzehn, und der Fernsehapparat, eingestellt auf den religiösen Kanal, stand an seinem üblichen morgendlichen Platz mitten auf dem Frühstückstisch, die Rückseite dem Fenster zugekehrt. Davor aßen die beiden Kinder ihr Frühstück: Harriet – damals ganz schlicht Ryder – war sechs, Daniel zehn Jahre alt. Ihr Vater, Johan Ryder, war mit dem Essen fertig und hinter seiner Zeitung verschwunden. Ihre Mutter Bess stand, ans Spülbecken gelehnt, im Hintergrund der niedrigen Küche und sah der Fernseh-Predigerin zu. Die Katze Memphis döste auf dem Abtropfbrett neben ihr. Häuslicher Friede, der in der Familie Ryder sehr zerbrechlich war, herrschte anscheinend.
    »… Ihren eingeborenen Sohn, liebe Freundinnen und Kameradinnen. Ein Mann. Ein Mann… und was wurde ihm angetan, diesem Mann? Wir wissen, was ihm angetan wurde, diesem Mann. Andere Männer haben ihn gekreuzigt. Sie haben ihn getötet. Sie fürchteten sich vor der Botschaft der Liebe, die er gebracht hat, der Liebe zu Gott der Mutter, also haben sie sich seiner entledigt …«
    Harriet, die ihr Müsli aufgegessen hatte, blickte gedankenverloren am Fernsehapparat vorbei zum Fenster hinaus auf kleine, braun gestrichene Segelschiffe, die über das funkelnde Wasser des Hafens verstreut vor Anker lagen. Sie war so an das sonnengebräunte Fernseh-Gesicht der Predigerin und an die süßliche Predigerstimme der Frau gewöhnt, daß sie beides längst nicht mehr wahrnahm. Auch die Segelboote machten an diesem Morgen nur wenig Eindruck: sie waren ihr ganzes Leben lang dort gewesen, ein dekoratives Fries
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