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MERS

MERS

Titel: MERS
Autoren: D.G. Compton
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Kann ich ein rosa Haarband haben, Mama? Leuchtendes Nylon? Mit einer Schleife?«
    »Laß das bitte mit den Füßen, Harri! Du weißt, das ermutigt ihn nur.«
    Daniel warf einen Blick zur Seite, auf die Zeitung seines Vaters. Hatte sie sich bewegt? Mit am schlimmsten war, daß diese Frau so redete, als ob er nichts verstünde, ein Idiot wäre. Er griff nach der Flasche Tomatenketchup, öffnete sie und goß das Ketchup sorgfältig, in einer Spirale wie Softeis, über sein Müsli. Dann rührte er um.
    Seine Mutter stieß sich vom Abwaschbecken ab und schlenderte heran. »Glaubst du etwa, dadurch würde es leckerer schmecken, Lieber? Hoffentlich hast du recht.«
    »In deiner Schublade sind Bänder«, beharrte Harriet. »Kann ich nicht eines haben?«
    »Es gibt verlockendere Dinge im Leben als Bänder, Schatz.«
    »Karla hat welche.«
    »Arme Karla. Dennoch, sie kann wirklich nicht anders. Mrs. Beck hat nicht einen Fingerhut voll Geschmack. Daniel, Kind, bitte beeil dich jetzt!«
    »… Und das, liebe Freundinnen und Kameradinnen, ist die wahre Bedeutung der Verkündigung. Wir wissen jetzt, wie oft die Evangelisten ihren geschlechtsspezifischen Vorurteilen nachgegeben haben – Männer haben zu allen Zeiten die Geschichte zu ihren Gunsten umgeschrieben –, aber in der Sache der jungfräulichen Geburt wagten sie nicht zu lügen. Kein tyrannisches Sperma, keine Penetration. Sie erzählen uns unverblümt, Maria ›hatte keinen Mann erkannt‹…«
    »Was ist denn falsch an Bändern? Das ist nicht fair.«
    Ihr Vater sah um die Zeitung herum. »Shirley Temple trägt sie«, meinte er.
    Bess seufzte und glättete den Bogen einer Braue ausdrucksvoll mit einem Zeigefinger. »Und wer hat ihr das erbärmliche Video gekauft? Ehrlich, Johan, soll sich deine Tochter wirklich wie ein Museumsstück aus Hollywood auftakeln?« Sie blickte auf Daniel hinab. »Und beeil dich damit. Sei so lieb.«
    Daniel faßte seinen Entschluß. Er hob seine Schüssel und kippte deren Inhalt in den Rückenausschnitt des Schulkleids seiner Schwester. Jener Frau mußte man Einhalt gebieten. Sie würde auf ewig so weitermachen, nicht brummig werden. Brummig werden war gegen ihre verdammte Religion. Sie würde einfach weitermachen, ihn ›Lieber‹ nennen und weitermachen und auf ewig weitermachen. Und dann käme er zu spät zur Schule, und sie würde ihn ohne Entschuldigungsbrief hinschicken und sagen, es sei alles seine Schuld. Zum Teufel noch mal, er haßte Frauen. Frauen hatten alle männlichen Babies umgebracht. Das hatte Mr. Barendt gesagt. Alle männlichen Babies. Und er war jetzt zehn, hatte Mr. Barendt gesagt, also alt genug, um es zu wissen.
    »Daniel – du schreckliches Kind, wie konntest du nur?«
    Sie streckte die Hand aus und wollte ihm eine Ohrfeige geben. Endlich sauer. Ha! Er wich ihrem ersten Schlag aus, rutschte von seinem Stuhl herab und stellte sich ihr für den zweiten Schlag entgegen. Der zweite Schlag bremste mitten im Schwung ab. Er blickte zu ihr auf, ein verschüchterter Blick. Sie half anderen Frauen dabei, alle männlichen Babies umzubringen, und er wußte es. Mit funkelndem Blick senkte sie den Arm, ihr Gesicht war rot und fleckig wegen des hochgekochten Ärgers, und sie hielt sich die Seite ihres Brustkastens. Ihrer Brust. Hielt sich die Seite ihrer Brust. Frauen hatten Brüste. Seine Mutter hatte große, formlose Titten. Nur Männer hatten einen Brustkasten.
    Er entdeckte, daß er noch immer seine leere Frühstücksschüssel festhielt. Er setzte sie auf den Tisch, richtete sorgfältig seinen Stuhl aus und schritt daraufhin steif aus der Küche hinaus und in den Flur hinauf. Er hörte, wie Papa etwas hinter ihm herrief, weil es diese Frau da so erwartete. Er gab keine Antwort: wenn sie bereit wären, Harri zur Schule zu bringen, wäre er gleichfalls bereit. Er würde am Vordereingang warten, in der Tasche seine Bücher und das Auto, das er Petr zeigen wollte.
    Unten in der Küche war jetzt Harriet in den Vordergrund gerückt. Dannos Frühstück war ihr in den Schlüpfer getropft, was sich kalt und scheußlich anfühlte, und ihr Schulkleid war eine einzige Katastrophe, aber Mama würde ihr jetzt als Entschädigung ein Band erlauben, also würde Harriet keinen Aufstand machen. Sie schaltete den Fernseher ab – Mama sah weg, holte eine Zigarette aus der Packung in der Tasche ihres Overalls, den sie in der Bibliothek trug, und zündete sie an – und räumte Papas Zeitung von dort weg, wo er sie hatte hinfallen lassen. Eine Ecke
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