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Merlin und die Feuerproben

Merlin und die Feuerproben

Titel: Merlin und die Feuerproben
Autoren: Thomas A. Barron
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diese Schlacht überlebt. Ich hatte wenigstens das Vergnügen   … sie schließlich zu rösten.« Angestrengtes Husten erschütterte seinen Körper. »Aber mein Kind! Was wird aus ihm? Wer wird
     es lehren   … sich zu ernähren, zu fliegen, die eigene Zauberkraft zu beherrschen? Wer wird   … ihm zeigen, wie es meine Höhle, unser traditionelles Zuhause finden soll? Wer wird ihm helfen   … die hohe Bestimmung eines Drachen zu erkennen?«
    Ich trat unbehaglich von einem Bein aufs andere und wünschte, ich könnte mich auf meinen Stock stützen, bevor ich antwortete.
     »Ich verstehe sehr wenig von Drachen. Und noch weniger von ihrer Zauberkraft. Aber ich kenne den Weg zu deiner Höhle und mein
     Herz wäre beglückt, wenn ich das Kleine dorthin führen dürfte.«
    Ich schaute zu Hallia hinüber, die jetzt auf der geschwärzten Erde nicht weit von dem Nestling stand. Die Augen der beiden,
     hier zwei strahlende braune Kreise, da zwei glühende orange Dreiecke, waren unverwandt aufeinander gerichtet. Vielleicht war
     es ihre gemeinsame Magie, vielleicht ihre gemeinsame Erfahrung des Verlusts,jedenfalls war ich überzeugt, dass diese beiden Geschöpfe sich austauschten und in einer stillen Sprache miteinander redeten.
    »Dein Kind wird versorgt sein«, erklärte ich.
    Die Augen des Drachen leuchteten heller, dann verdunkelten sie sich schnell. »Nie habe ich jemand oder etwas gefürchtet«,
     keuchte er. »Bis heute. Doch während des Kampfes hatte ich keine Angst vor einem Angriff der Kreelixe, sondern vor dem Tod
     meines Kindes.« Ein neuer Hustenanfall quälte seinen Körper bis zu den Schwanzstacheln. »Und jetzt   … jetzt merke ich, wie ich etwas anderes fürchte.«
    »Was?«
    »Den Tod. Meinen eigenen Tod! Ein Drache verlangt nach Leben, verschlingt es. Schluckt es in großen, überladenen Bissen! Er
     wird nicht leicht erschlagen – und stirbt nicht friedlich. Er wehrt sich   …« Er hielt inne und versuchte einen Husten zu unterdrücken. »Bis zuletzt.« Seine kummervollen, jetzt stumpfgelben Augen musterten
     mich. »Aber ich kann mich nicht mehr wehren. Und jetzt, junger Zauberer   … fürchte ich mich.«
    Langsam trat ich auf das riesige Gesicht zu. Ich streckte die Hand aus und berührte die vorstehende Stirn über einem Auge.
     Ohne zu wissen, woher die Worte kamen, sagte ich: »Schau nur auf das Licht, Feuerflügel   … Geh zu ihm. Flieg zu ihm. Dein Kind wird bei dir sein. Und ich auch.«
    Valdearg stieß einen letzten Atemzug mit einem letzten Rauchwölkchen aus. Das Licht in seinen Augen erlosch. Sie schlossen
     sich für immer.

XXXI
EINE HÖHERE MACHT
    E inen langen Moment verharrten wir so still wie das verkohlte Land um uns herum, so still wie der tote Drache. Nur der Nestling
     regte sich von Zeit zu Zeit und rieb die Schnauze am leblosen Körper seines Vaters.
    Schließlich trat Hallia auf das Drachenbaby zu. Im Gehen verwandelte sich ihre Hirschgestalt in die einer kräftigen jungen
     Frau. Die ganze Zeit waren ihre seelenvollen Augen auf den Nestling geheftet. Als sie näher kam, rollte das Geschöpf den lavendelfarbenen
     Schwanz auf und klopfte damit ängstlich auf den Boden. Hallia begann eine langsame, besänftigende Melodie zu singen, die an
     grüne Wiesen und sonnenbeglänzte Flüsse denken ließ. Als sie bei dem kleinen Drachen war, hielt der den Schwanz still. Mit
     einer einzigen, anmutigen Bewegung setzte sie sich und sang dabei weiter.
    Ionn und ich folgten ihrem Beispiel und gesellten uns zu den beiden. Das schwarze Fell des Hengstes schimmerte in der Mittagssonne,
     als er zum Gruß den Kopf zurückwarf. Der kleine Drache – halb so groß wie Ionn, aber viel magerer – zögerte zuerst, dann antwortete
     er auf die gleiche Art. Doch als er den Kopf zurückwarf, bespritzte er uns mit orangen Tropfen. Hallia und ich tauschten Blicke,
     wir wussten, dass es Tränen waren.
    Hallia hörte auf zu singen. Sie legte den Kopf zur Seiteund betrachtete den Nestling voller Mitgefühl. »Dein Verlust ist noch schwerer als meiner, Junges. Wenigstens kannte ich meinen
     Bruder gut. So gut, dass ich ihn immer noch atmen höre und seine Gedanken kenne, fast bevor ich meine eigenen gedacht habe.«
    Vorsichtig streckte ich die Hand aus und streichelte das widerspenstige Ohr des kleinen Drachen. Obwohl es so steif wie ein
     Ast abstand und länger als mein Unterarm war, fühlte es sich erstaunlich weich an. Winzige violette Haare bedeckten es völlig.
     Der Drache wimmerte leise,
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