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Merlin und die Feuerproben

Merlin und die Feuerproben

Titel: Merlin und die Feuerproben
Autoren: Thomas A. Barron
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sich, als er einen Schädel
     von einer seiner erhobenen Klauen riss. Mit zusammengepressten Kiefern zermalmte er ihn. »Nein, ich habe eine bessere Idee.
     Ich werde dich zuerst rösten.«
    Das Grollen sammelte sich tief in seiner Brust. Es wurde immer lauter, während Flammen aus seinen Nüstern züngelten. Zugleich
     packte der Schwanz fester zu. Meine Lungen konnten nicht atmen. Mein Herz konnte nicht schlagen. Das Maul öffnete sich weit
     und eine Feuerlawine stürzte auf mich zu.
    Plötzlich spitzte Valdearg die Ohren und neigte leicht den Kopf. Die Flammen schossen an mir vorbei und versengten meine Stiefel,
     doch mehr nicht. Valdearg stieß einen überraschten Schrei aus – und sein Schwanz ließ mich los. Ich knallte auf den Boden.
     Ionn lief zu mir, während ich nach Atem rang. Ich legte einen Arm um den Hals des Hengstes und stand mühsam auf – auch um
     zu sehen, was den Drachen abgelenkt hatte.
    Über das verkohlte Gelände näherte sich uns, halb humpelnd und halb fliegend, ein wahrhaft seltsames Geschöpf. Zuerst konnte
     ich nur eine plumpe Masse erkennen, so zerzaust wie ein sturmgepeitschter junger Baum. Dann sah ich einen Blitz von schillerndem
     Purpurrot, eine zerknitterte ledrige Hautfalte, ein Paar knochige Schultern. Und auf dem Kopf, den ein dünner wackliger Hals
     stützte, ein Paar Ohren – von denen das eine zur Seite ragte wie ein falsch angewachsenes Horn.
    Der kleine Drache! Er hatte überlebt!
    Blitzschnell fuhr der gigantische Vater herum, fast erschlug er dabei Ionn und mich mit der knochigen Flügelspitze. Er schleppte
     sich zu dem Nestling und blieb kurz vor ihm stehen. In seinem Bauch summte ein gleichmäßiges, sanftes Dröhnen, fast wie das
     Schnurren einer übergroßen Katze, als er das Maul auf den Boden legte.
    Zuerst vorsichtig, dann mit aufgeregtem Wimmern ließ der kleine Drache sich den warmen Atem über die Schuppen wehen. Einen
     langen Moment schauten sie einander aus hier gelb, dort orange glühenden Augen an. Schließlich breitete Valdearg den massigen
     Flügel aus, damit sein Kind hineinkriechen konnte. Er faltete die Ränder um es wie eine Decke und zog das Kleine an sich.
     Es quietschte zufrieden und schmiegte sich enger an ihn.
    Der Drache reckte den Hals und hob den kolossalen Kopf. Zum Himmel stiegen Klänge, wie sie Fincayra seit sehr langer Zeit,
     seit der Geburt von Feuerflügel, nicht mehr gehört hatte. Es war eine Mischung aus tief dröhnenden und hohen wirbelnden Tönen,
     die mit der Anmut von Pfeilen zum Himmel flogen. Es war eine komplizierteMelodie, ein magischer Teppich, aus den Sagen von Drachengenerationen gewoben. Es war, mehr als alles andere, ein Freudenlied.
    Ionn und ich hörten wie verzaubert zu, während Valdeargs Lied eine Stunde oder länger dauerte. Der Nestling hatte sich tief
     in den Flügel seines Vaters gekuschelt und hob von Zeit zu Zeit die Schnauze. Sein Ohr streckte sich so forsch wie eh und
     je zur Seite. Er hörte offenbar dem Lied so aufmerksam zu wie wir, doch mit einem angeborenen Verständnis, das weit über unseres
     hinausging.
    Dann senkte der große Drache den Kopf. Mit der Wucht einer riesigen Welle, die übers Meer wogt, schwang er den Hals zu mir.
     Sobald unsere Blicke sich trafen, war der Bann seines Lieds gebrochen, Angst überkam mich. Er ging wieder auf mich los! Ich
     sprang auf Ionns Rücken, griff nach seiner Mähne und war bereit erneut loszureiten.
    Da brüllte der kleine Drache. Sein gellender Schrei hielt mich zurück; auch Valdearg zuckte mit den orangen Ohren und schürzte
     verwirrt die Lippen. Der Nestling brüllte wieder und schlug heftig mit den kleinen Flügeln. Valdearg brummte, wurde aber still,
     als der Kleine mehrere schrille, tschirpende Laute ausstieß.
    Schließlich wandte Valdearg mir wieder die gelben Augen zu. »Es sieht so aus, junger Zauberer, als wäre einiges von dem, was
     du mir erzählt hast, wahr.« Er blies eine dunkle Rauchwolke aus den Nüstern. »Du bist nicht der Mann, der meine Kinder ermordet
     hat.«
    Ionn warf den Kopf zurück und wieherte erleichtert. Ich klopfte ihm den Hals.
    »Doch einiges war falsch, nämlich dass du keine Kräfte hast. Mein Kind hier sagt etwas anderes.« Er betrachtete es mit offensichtlicher
     Zuneigung. »Es sagt, du hättest es mit deiner Magie gerettet.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nicht mit meiner Magie. Nur mit meinen Kräutern. Das ist ein Unterschied.«
    »Kein so großer, wie du glaubst.« Er hob den mächtigen Schwanz
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