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Menschenopfer - Gibert, M: Menschenopfer

Menschenopfer - Gibert, M: Menschenopfer

Titel: Menschenopfer - Gibert, M: Menschenopfer
Autoren: Matthias P. Gibert
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Schimpftirade zu überziehen.
    »Ruhe!«, brüllte Lenz schließlich so laut, dass sich allen in dem niedergerittenen Kiosk Anwesenden für einen Augenblick die Nackenhaare aufstellten.
    »So ist es gut«, fuhr er fort und sah dabei die Frau an der Beifahrertür an. »Und mit wem habe ich in Ihrem Fall das Vergnügen?«
    Bevor sie antworten konnte, richtete Tondo ein paar Worte an sie. Deren Inhalt gefiel ihr offenbar so gut, dass sie sofort dankbar nickte.
    »Das wird so leider nicht funktionieren«, ertönte nun die Stimme von Yoko Tanaka aus dem Hintergrund, die mit festen Schritten auf Lenz zuhielt.
    »Die beiden haben sich gerade darüber unterhalten, wie es mit ihnen weitergehen wird«, informierte sie den Polizisten über das Gespräch der beiden. »Zuerst hat sie sich beschwert, dass er sich aus dem Staub machen will, worauf er sie eine Hure genannt hat. Daraufhin hat sie ihm gedroht, sie würde alles auffliegen lassen, was er auf dem Kerbholz hat, worauf er ihr angeboten hat, den Diplomatenstatus auf sie auszudehnen und sie mitzunehmen, was wiederum sie erfreut zur Kenntnis genommen hat.«
    »Danke für die Übersetzung, Frau Tanaka.«
    »Gern geschehen. Aber wenn Sie mich fragen, wird das so nicht klappen, weil der Diplomatenstatus nur enge Familienangehörige einbezieht und nicht niederrangige Geliebte. Am Ende wird es also darauf hinauslaufen, dass die gute Mata Aroyo hier in Deutschland im Knast landet, während mein feiner Großonkel sich in Japan dem Verprassen seiner Millionen mit einer neuen Liebschaft widmen kann.«
    »Woher willst du das wissen, du verdammtes Luder?«, keifte Mata Aroyo. »Du lügst doch!«
    »Kann sein, kann aber auch nicht sein. Ich habe immerhin zwei Jahre auf der Diplomatenschule in Sapporo zugebracht, während du dich abgemüht hast, diesem alten Bock hier ein wenig Geilheit aus den lahmen Lenden zu locken. Also, wenn du meinst, ich würde lügen, kannst du das Risiko eingehen. Wenn nicht, führst du die Polizisten möglichst schnell zu dem Kühlhaus, in dem Watane vor sich hin friert. Sollte sie nämlich sterben, hast du auch noch einen Mord am Arsch, du blöde Kuh.«

35
     
    Watane Origawa befand sich in einem unwirklichen, von ihrer starken Unterkühlung ausgelösten Zustand zwischen Realität und Fantasie, den sie jedoch nicht als lebensbedrohlich empfand. Immer wieder wurde sie kurz wach und lauschte auf Geräusche, doch bis auf das in ihren Ohren pulsierende Blut konnte sie nichts hören. In den Zeiten, in denen sie weggedämmert war, träumte sie wild und viel, konnte aber nichts von dem fassen, was ihr Unterbewusstsein sich aus Versatzstücken ihrer Erinnerungen zusammengereimt hatte. Mal befand sich die junge Frau in Japan, wo ihre Mutter sich mit ihr unterhielt, dann wiederum verfrachteten die Fantasien sie in die Zeit zurück, in der sie in London und Manchester gelebt hatte. Keine schönen Erinnerungen, aber auch keine explizit unangenehmen. Einmal war ihr flüchtig durch den Kopf geschossen, dass sie aufstehen müsse, um sich gegen die Kälte zu schützen, doch dieser Gedanke wurde überlagert von einer endlosen Zufriedenheit und der Sicherheit, dass ihr überhaupt nicht kalt war.
    Wenn mir kalt wäre, müsste ich doch frieren , dachte sie kurz, nur um diese Eingebung sofort wieder zu verwerfen.
    Mir ist überhaupt nicht kalt. Nur der Kopf tut mir so elendig weh, dass ich schreien könnte. Wenn ich eine Kopfschmerztablette haben könnte, würde ich nicht Nein sagen.
    Wieder fiel sie in eine gnädige Ohnmacht, um im selben Augenblick von Shinji zu träumen. Als sie Shinji zum ersten Mal gesehen hatte, wäre ihr nie in den Sinn gekommen, dass sie keine zwei Monate später bei ihm einziehen würde. Viel zu klein, viel zu hibbelig. In ihrem Traum tauchte eine Szene auf, die sie mit ihm erlebt hatte, ganz zu Anfang ihrer Liaison. Shinji war um kurz nach Mitternacht von der Arbeit nach Hause gekommen, todmüde nach einem 14-Stunden-Tag, und hatte mehr aus Scherz gefragt, ob sie Hunger hätte. Auf ihr ehrliches Ja war er in die Küche gegangen und hatte ihr eine vorzügliche Mahlzeit gezaubert.
    Wo ist eigentlich Yoko? Die ist nett, vielleicht wird sie ja wirklich meine Freundin. Obwohl, eigentlich sind wir schon Freundinnen. Richtig gute Freundinnen.
    Watanes Tagtraum wurde von einem Geraschel gestört. Einem Schaben. Oder besser einem Kratzen. Sie wollte aufwachen und sich in die Richtung des Geräuschs drehen, schlief jedoch im gleichen Augenblick wieder ein. Wieder
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