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Memoria

Memoria

Titel: Memoria
Autoren: Raymond Khoury
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Gesicht dastehen, die MP 4 in den Händen. Offenbar hatte er beschlossen, uns lieber tot als geflüchtet zu wissen.
    Eine nächste Salve traf den Hubschrauber, hinterließ eine Reihe verhängnisvoll aussehender Löcher im Rumpf, und das Motorengeräusch wurde zu einem schrillen Heulen. Ich zog mich an der Kufe hoch, hakte das linke Bein über das rechte, zog meine Glock und feuerte wie wild auf die rasch kleiner werdende Gestalt, die entschlossen war, uns abzuschießen.
    Kurz bevor das Magazin leer war, wurde Munro nach hinten gerissen, stolperte und ging zu Boden, womit er dem Kartell, für das er arbeitete, die Mühe ersparte, ihm die Gliedmaßen einzeln mit einer Machete abzuhacken.
    Navarro und sein Pilot wussten natürlich inzwischen, dass sie einen blinden Passagier hatten, aber sie schienen es mir nicht dringend danken zu wollen, dass ich ihnen den Arsch gerettet hatte. In diesem kurzen Moment der Ruhe spähte Alex durch die Scheibe, und Überraschung zeichnete sich auf seinem Gesicht ab, als er mich sah. Unsere Blicke trafen sich, und ich sah in seinen Augen eine Begeisterung aufleuchten, die mir unsägliche neue Kraft verlieh.
    Der Pilot begann, den Hubschrauber abwechselnd zu beiden Seiten zu neigen, um mich abzuschütteln. Nach einer Reihe dieser Manöver heulte der Motor plötzlich erneut schrill auf, setzte für eine Sekunde, in der mir fast das Herz stehen blieb, aus und sprang dann stotternd wieder an.
    Mir war klar, dass wir nicht mehr lange in der Luft bleiben würden.
    Ich zog mich hoch, um in das Cockpit zu spähen; ich fragte mich, warum der Pilot keine Anstalten machte zu landen. Navarro hatte sich nach vorn gebeugt und schrie ihm Anweisungen zu, offenbar gab er ihm zu verstehen, dass eine Landung nicht in Frage kam. Wenigstens hatten sie aufgehört, mich abschütteln zu wollen. Dann bemerkte Navarro mich, zog seine Pistole, richtete sie auf mich und schoss durch die Scheibe.
    Ich duckte mich außer Sicht, lehnte mich so weit wie möglich unter den Rumpf des Hubschraubers und hoffte, dass Navarro nicht selbstmörderisch genug war, durch den Boden zu schießen.
    Wir glitten dicht über den Baumwipfeln dahin. Dabei gewannen wir an Tempo – offenbar hatte die Maschine beschlossen, uns alle am Leben zu lassen. Weniger als eine Minute später kam das Meer in Sicht. Selbst ich auf meinem gefährlichen Aussichtsposten war beeindruckt von der Schönheit dieses Anblicks. So etwas kannte ich bisher nur von Fotos, und ich hatte immer angenommen, dass sie zur Perfektion nachbearbeitet waren, aber jetzt sah ich es real vor mir, live und in Farbe. Wenn es das Letzte war, was ich sah, wäre es jedenfalls um Welten besser als das Ende durch eine Magensonde.
    Der Ozean schien mich erhört zu haben. Als wir uns mit hoher Geschwindigkeit der Küste näherten, gab die Maschine eine Reihe stotternder Heultöne von sich, dann setzte sie endgültig aus.
    Wir fielen.

Kapitel 69
    Ich schob mich unter dem Hubschrauberrumpf hervor und sah noch einmal durch die Scheibe Alex. Ich war dankbar, noch einen Augenblick mit ihm zu haben. In diesem Moment, da wir auf die Wasseroberfläche zustürzten und der Tod mit jedem Meter näher kam, erkannte ich, wie reizvoll die Vorstellung der Reinkarnation war – auch wenn ich noch nicht bereit war, dieses Leben aufzugeben.
    Meine Gedanken wurden dadurch unterbrochen, dass die Wasseroberfläche uns entgegenschnellte und der Hubschrauber in Schräglage im Meer aufschlug. Ich klammerte mich an die Kufe der Maschine, die fast augenblicklich zu sinken begann. Die Tatsache, dass ich das wahrnahm, sagte mir, dass ich noch lebte, und das bedeutete, dass vielleicht auch Alex noch am Leben war.
    Er
musste
am Leben sein.
    Ich umklammerte mit den Beinen fest die Kufe, während wir tiefer sanken, wobei sich die Maschine durch den Schwung der Rotorblätter weiter zur Seite neigte. Nach ein paar Sekunden sah ich durch eine Wolke Luftblasen hindurch den weißen Sand des Meeresgrunds. Das Wasser war an dieser Stelle nicht tief. Ich ließ mit den Beinen die Kufe los, hielt mich jedoch mit beiden Händen weiter fest, als der Hubschrauber auf dem Grund aufsetzte.
    Er landete in einer Wolke aus aufgewirbeltem Sand und mit einem schaurigen Ächzen der Kufe, die das meiste Gewicht abfing.
    Ich zog mich dicht an die Scheibe heran und sah hinein.
    Der Pilot war tot, seine Seite des Cockpits hatte die volle Wucht des Aufpralls auf der Wasseroberfläche abbekommen. Blut strömte in dunklen, spiraligen
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