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Memoiren 1945 - 1987

Memoiren 1945 - 1987

Titel: Memoiren 1945 - 1987
Autoren: Leni Riefenstahl
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die bekannte Filmhistorikerin Lotte Eisner, die vor ihrer Emigration nach Paris in Berlin beim «Film-Kurier» als Kritikerin tätig war. Fassungslos hörte ich, wie sie in einem Interview folgendes erzählt: «Eines schönen Tages, es war entweder 1931 oder zu Beginn 1933, kam Leni Riefenstahl in mein Büro und sagte: ‹Frau Doktor, ich möchte Ihnen einen wunderbaren jungen Mann vorstellen.› Ich dachte ‹wunderbarer› Mann — merkwürdig — das kann doch nur Trenker sein — aber der hatte doch gesagt, er liebe die Leute um Leni herum überhaupt nicht. Mißtrauisch fragte ich: ‹Mit wem wollen Sie mich bekanntmachen?› Leni: ‹Nein, nicht mit Herrn Trenker, sondern mit Adolf Hitler›.»
      Das war kein Scherz von Frau Eisner, sie sagte das mit solcher Überzeugung, daß man ihr unbedingt glauben mußte. So ein Blödsinn! Als ob Hitler, kurz bevor er an die Macht kam, nichts anderes zu tun hatte, als mit mir zum «Film-Kurier» zu gehen, um dort eine kommunistische Redakteurin kennenzulernen. Wie konnte nur eine intelligente Frau einen solchen Unfug reden. Ich habe mit Frau Eisner nie gesprochen und sie auch nicht kennengelernt, weder in Berlin noch in Paris, noch irgendwo. Man hätte mich ja fragen können, ob diese «Story» wahr ist. Aber es sollte schlimmer kommen. Die folgenden Aufnahmen hatten nichts mit meinen Filmen zu tun, sondern waren Szenen aus Holocaustfilmen, alten Wochenschauen, die Bücherverbrennungen zeigten, Bilder von der «Kri stallnacht», von Judendeportationen und dazwischen immer Fotos von mir und schließlich als Höhepunkt dieser perfiden Zusammenstellungen die Behauptung, ich hätte von der Wehrmacht den Auftrag erhalten, Judenerschießungen der Wehrmacht in Polen zu filmen. Und dies alles, nachdem in jahrelangen Verhören und Untersuchungen von amerikanischen, französischen und deutschen Dienststellen festgestellt wurde, daß alle solche über meine Person verbreiteten Gerüchte unwahr sind.
      Man hatte auch den Vorfall verfälscht, den ich kurz nach Kriegsausbruch in Polen als Kriegsberichterstatterin erlebte, und über den ich hier eingehend berichtet habe. Im Film wurde es so gezeigt:
      Man sieht mein entsetztes Gesicht, es handelt sich dabei um dasselbe Foto, das mir der Erpresser, der sich «Freitag» nannte, vor dem Revue-Prozeß verkaufen wollte. Dann zeigt der Film am Boden kniende Menschen mit verbundenen Augen, auf die Gewehrläufe gerichtet sind, man hört eine Gewehrsalve und sieht in einer anderen Aufnahme auf der Erde Leichen liegen. Nächster Bildschnitt: Wieder mein entsetztes Gesicht, diesmal sehr vergrößert.
      Jeder, der das sieht, muß glauben, ich hätte eine Exekution von Juden miterlebt. Solche Schnittmontagen verfälschen die Wahrheit ins Gegenteil. Schon 1950, als ich wegen derselben Verleumdung in der «Revue» gegen deren Herausgeber prozessierte, hatte die Berliner Spruchkammer diese Geschichte als unwahr zurückgewiesen. Ich habe in Polen nicht einen Toten gesehen, nicht einen Soldaten, nicht einen Zivilisten.
      Als ich diese unglaubliche Verfälschung nun im Film vor mir ablaufen sah und mir durch den Kopf schoß, daß mir die Fernsehleute versprochen hatten, nur die Wahrheit über mich zu berichten, wurde ich fast verrückt — ich klappte zusammen, und ein Arzt mußte kommen.
      Meine Bemühungen, die Vorführung dieses Films am Abend zu verhindern oder wenigstens das Herausschneiden der mich diskriminierenden Szenen zu erreichen, blieben erfolglos. Es war zu spät, dies durch eine Einstweilige Verfügung zu erzwingen. Der Arzt verbot mir, an der vorgesehenen Live-Sendung teilzunehmen. So mußte der Produzent dieses Machwerks, Claude Torracinta, seine Sendung ohne mich machen — mein Stuhl blieb leer. Ich glaube, ich wäre in meinem Zustand auch nicht in der Lage gewesen, mich in einer Live-Diskussion gegen Monsieur Torracinta zu verteidigen. Ich übergab den Vorfall meinem Anwalt, damit wenigstens weitere
Sendungen dieses Films gestoppt würden. Dr. Müller-Goerne, der mich schon oft freundschaftlich beraten hatte, erreichte es ohne Prozeß. Ich verzichtete auf eine Schadensersatzklage. Ich brauchte Ruhe, um mich endlich auf meine Arbeit konzentrieren zu können.

    Ich mußte schreiben

    N ach meinem Kalender machte ich am 1. November 1982 den ersten Versuch. Vor mir ein weißer Papierblock, noch unbeschrieben. Hätte ich geahnt, daß mich diese Arbeit fünf Jahre kosten würde, ich hätte sie nicht übernommen. Es war eine
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