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Memoiren 1945 - 1987

Memoiren 1945 - 1987

Titel: Memoiren 1945 - 1987
Autoren: Leni Riefenstahl
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auch während des ganzen Krieges u.K.-gestellt war. Und mit Fancks Hilfe hatte ich gerechnet.
      Nachdem die Franzosen in Freiburg keine Unterkunft für uns auftreiben konnten, brachten sie uns nach Breisach, einer kleinen
Stadt, nicht weit von Freiburg entfernt. Auch hier nur Trümmer über Trümmer. Breisach war nach dem Krieg die am stärksten zerbombte Stadt Deutschlands. Sie soll zu 85 Prozent zerstört gewesen sein. Der dortige Bürgermeister, ein hilfsbereiter Mann, wußte nicht, was er mit uns anfangen sollte. Schließlich brachte er uns in den halb zerfallenen Räumen des Hotels «Salmen» unter. Auch waren wir immer noch Gefangene, die den Ort nicht verlassen durften.
      Wir erhielten die Aufforderung, uns zweimal wöchentlich bei der französischen Polizei zu melden. Dann fuhren die Franzosen wieder ab.

    In Breisach

    Ü ber zwei Monate lebten wir nun schon in den Trümmern von Breisach — eine traurige Zeit. Am meisten litten wir unter Hunger. Auf die Lebensmittelkarten gab es so gut wie nichts. Auf die Brotkarten von täglich 50 Gramm bekam man nur eine dünne Scheibe, aber auch nicht immer, und zum Bestreichen des Brots höchstens etwas Essig. Es gab kein Fleisch, kein Gemüse, kein Fett, nicht einmal Magermilch. Wie glücklich war ich, als mir eines Tages ein Bauer ein Bündel Mohrrüben schenkte!
      Die Franzosen waren sehr hart. Ich hatte in Breisach ein junges Mädchen kennengelernt, Hanni Isele, die später meine Haustochter wurde. Ihre Eltern hatten einen Gemüsegarten und Obstbäume, aber sie durfte nicht eine Pflaume oder einen Apfel pflücken, nicht einmal das auf der Erde liegende Fallobst aufheben. Französische Soldaten kontrollierten sogar die Schrebergärten und schlugen alten Leuten und Kindern auf die Hände, wenn sie versuchten, Fallobst aufzuheben.
      Meine Leute wurden immer verzweifelter. Frau Steffen, eine junge Frau, die jahrelang mit mir im Schneideraum gearbeitet hatte, bekam weißes Haar. Sie wurde fast wahnsinnig, denn auch sie durfte nicht nach Berlin, wo ihr Mann, der aus der Kriegsgefangenschaft gekommen war, sie erwartete. Sie durfte Breisach nicht verlassen, hatte kein Geld und hungerte wie Fräulein Lück, meine Sekretärin, und mein Buchhalter, Herr Hapke. Ich konnte ihnen nicht helfen. Ich hatte selber nichts.
      Und mein Mann? Die Trennungen, die wir ertragen mußten, hat ten schon seit längerer Zeit Spannungen mit sich gebracht. Meine Krankheit und die immer wieder erfolgten Verhaftungen belasteten ihn, besonders, da er nach fast fünf Jahren Front eine andere Nachkriegszeit verdient gehabt hätte. Er tat vieles, worunter ich sehr litt. Unsere Zuneigung verwandelte sich immer mehr in Haßliebe, doch die Umstände erlaubten es nicht, uns wenigstens versuchsweise zu trennen. Wir mußten auf engstem Raum zusammenleben, und dies unter den unwürdigsten Verhältnissen.
      Als unser Leben in Breisach immer unerträglicher wurde, schrieb ich einen verzweifelten Brief an General König, dem Oberkommandierenden der französischen Zone in Deutschland. Nach fünf Monaten, im August 1946, erfolgte eine Reaktion. Ein französischer Polizeiwagen holte mich ab und brachte mich nach Baden-Baden in ein Militärgebäude. Dort erhielt ich ein Zimmer, zusammen mit einer anderen Frau, einer Ausländerin. Wie ich mit der Zeit bemerkte, sollte sie mich aushorchen. Bei den Verhören, die man mit mir anstellte, verstand ich oft den Sinn vieler Fragen nicht. So sollte ich die Haarfarbe dieser oder jener Schauspieler, oder die Augenfarbe einer bekannten deutschen Filmdiva angeben und weitere so belanglose und lächerliche Fragen. Plötzlich änderte sich das. Ich sollte erzählen, welche Künstler an Hitler geglaubt hatten und welche mit ihm befreundet waren.
      «Ich bin keine Denunziantin», sagte ich. «Auch könnte ich Ihnen das gar nicht beantworten, weil ich mit meinen Berufskollegen wenig zu tun hatte. Außer Emil Jannings, Gertrud Eysoldt und Brigitte Horney kannte ich persönlich nur die Schauspieler, die in meinen Spielfilmen beschäftigt waren.» Ein Grund für die Franzosen, mich härter in die Zange zu nehmen. Sie gaben mir weniger zu essen und unterwarfen mich unerträglicher seelischer Folter. Dann verfielen sie auf eine andere Methode. Mit allen möglichen Versprechungen wollten sie mich dazu bringen, Kollegen zu denunzieren. «Welche unter Ihren Bekannten waren überzeugte Nationalsozialisten, nicht nur Künstler», so ging das Tag für Tag. Dabei nannten sie
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