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Memoiren 1945 - 1987

Memoiren 1945 - 1987

Titel: Memoiren 1945 - 1987
Autoren: Leni Riefenstahl
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auch Namen wie Ernst Udet und andere. «Wir werden Sie für jede Information belohnen. Sie können ein Haus an der Riviera erhalten und wieder als freier Künstler arbeiten.» Ich war so angewidert, daß ich bockig wurde und überhaupt keine Fragen mehr beantwortete.
      Wieder wechselten sie das Thema und kamen auf die Konzentrationslager zu sprechen. Hier entspann sich eine immer heftiger werdende Auseinandersetzung. Sie wollten nicht glauben, daß mir außer
Dachau und Theresienstadt andere Lager unbekannt waren. «Und Sie haben noch nie etwas von ‹Buchenwald› und ‹Mauthausen› gehört?» schrie mich einer der Franzosen an.
      «Nein», sagte ich.
      «Sie lügen, das glauben wir nicht, sagen Sie die Wahrheit.»
      Vor Erregung zitternd schrie ich: «Nein, nein, nein!»
      «Wenn Ihnen das Leben Ihrer Mutter lieb ist, dann ...» Das war zuviel, weiter kam er nicht — ich sprang dem Kerl an die Kehle und verbiß mich so in seinem Hals, daß er blutete.
      Daraufhin quälten sie mich nicht mehr. Ich wurde auf mein Zimmer gebracht und in Ruhe gelassen. Einige Tage danach wurde ich in einem anderen Gefängnis einem französischen General vorgeführt. Als ich ihm die Hand geben wollte, legte er ruckartig seine Hände auf den Rücken. Mit eiskalter Miene sagte er: «Wir haben beschlossen, Sie von hier fortzubringen. Sie kommen in den Schwarzwald, nach Königsfeld. Sie werden diesen Ort mit Ihrer Mutter und Ihrem Mann nicht verlassen. Ihre Mitarbeiter können nach Berlin, sie sind frei. Sie dagegen müssen sich jede Woche in Villingen bei der französischen Polizei melden.»
      Ich fragte ihn: «Und wovon sollen wir leben? Was ist mit meinem Geld, mit meinen Filmen und mit meinem anderen Eigentum?»
      «Das interessiert mich nicht, damit habe ich nichts zu tun», sagte er schroff.
      «Verstehen Sie doch, bitte», flehte ich, «wovon sollen wir leben, wir besitzen doch nichts.»
      Er würdigte mich keiner Antwort, läutete und ließ mich herausführen.

    Königsfeld im Schwarzwald

    B evor wir Breisach verließen, erhielten wir unerwarteten Besuch von der Schwester meines Mannes. Sie kam aus Bayern mit einem Koffer voller Lebensmittel, die sie von einem Bauern, dem sie bei der Arbeit half, bekommen hatte. Das war ein Fest! Selbst heute noch, nach mehr als vierzig Jahren, wenn ich in einem Supermarkt die Fülle der Lebensmittel sehe, erinnere ich mich daran.
      Königsfeld, ein stiller, von dunklen Tannenwäldern umgebener Kurort im Schwarzwald, erschien uns wie ein Paradies. In einer alten Villa wurde uns eine Zweizimmer- Wohnung zugewiesen, die einer Frau Fanny Raithel aus der bekannten Musiker- und Bankiersfamilie Mendelssohn-Bartholdy gehörte. Das Problem war die Miete. Eine Wohnung unter 300 DM konnte uns der Bürgermeister nicht anbieten. Frau Raithel, eine sympathische, ältere Dame, war bereit, uns die Miete für die ersten Monate zu stunden.
      In Villingen, eine halbe Stunde Eisenbahnfahrt entfernt, fand mein Mann bei der Weinhandlung «Voll» Arbeit als Lastwagenfahrer und bald auch als Weinverkäufer. Eine große Hilfe, denn wir konnten nun Wein bei den Bauern gegen Lebensmittel eintauschen.
      Weitere Hilfe erhielt ich durch Hanni, dem jungen Mädchen aus Breisach, das mit uns gekommen war. Ich mochte sie vom ersten Tag an, nicht nur wegen ihrer äußeren Erscheinung — sie war auffallend hübsch —, sondern vor allem wegen ihrer Fröhlichkeit und menschlichen Wärme. Sie war damals neunzehn und wollte eigentlich studieren. Nach meiner Freilassung wollte ich sie als Sekretärin oder Cutterin ausbilden lassen, vorläufig aber wurde sie unsere Haustochter.
      Bald sahen wir, daß auch in Königsfeld die Not sehr groß war. Es gab nichts zu kaufen, nicht einmal einen Bindfaden. Die Läden waren ratzekahl, und einen «Schwarzen Markt» gab es hier auch nicht. Ein Reichtum blieb uns: die Pilze. Es war Herbst, und täglich gingen wir in den Wäldern Pilze sammeln. Eine solche Menge an Pilzen hatte ich noch nie in einem Wald gesehen. Aber es waren nicht nur die Pilze, die uns so viel Freude bereiteten, es war das Erlebnis des Waldes. Bei jedem Spaziergang hatte ich das wunderbare Gefühl von Freiheit. Keine Verhöre, keine Polizisten. Ich genoß die Ruhe. In Bäume war ich schon immer verliebt gewesen, und dieser Wald hier war wie aus einem Märchenbuch. Meine Kindheitserlebnisse kamen mir in Erinnerung, sogar die Anfangsstrophe meines ersten Gedichts:

    «Am dunklen
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