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Memento - Die Überlebenden (German Edition)

Memento - Die Überlebenden (German Edition)

Titel: Memento - Die Überlebenden (German Edition)
Autoren: Julianna Baggott
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behilflich. Wir hätten niemals erfahren, woran er arbeitet, wenn wir ihm nicht ein paar Fragen über dich gestellt hätten. Sie würden dich beide gerne sehen.«
    »Nein!«, ruft Partridge.
    »Das war ein Versehen, draußen in den Wäldern mit Sedge und deiner Mutter«, flüstert sein Vater drängend. »Ein Unfall. Es war unbesonnen. Aber wir leisten dafür Sühne, jetzt in diesem Moment. All das ist jetzt vorbei.«
    Jetzt sieht Partridge, dass die Haut am Hals seines Vaters ebenfalls versengt ist, als wäre es nur noch eine dünne Membran. Degeneriert seine Haut etwa? Ist das ein weiteres der Symptome, die seine Mutter erkannt hätte?
    Unbesonnen?, denkt Partridge. Sühne? All das ist jetzt vorbei?
    »Ich habe dich und deine Halbschwester zusammengebracht. Siehst du das denn nicht? Es war ein Geschenk.«
    Partridge kann kaum atmen. Sein Vater hat es tatsächlich arrangiert. Er wusste von Anfang an, was Partridge tun würde. Er hat Partridge manipuliert wie eine Marionette.
    »Du hast jetzt, was wir hier brauchen. Es wird vielen von uns helfen. Das hast du sehr gut gemacht.«
    »Du hast keine Ahnung, stimmt’s?«
    »Was?«, fragt sein Vater. »Wovon keine Ahnung?«
    »Das ist erst der Anfang.«
    »Partridge«, sagt Ellery Willux. »Partridge, hör mir zu.«
    Doch Partridge verlässt den Raum und rennt die Treppe hinunter. Er öffnet die Eingangstür, und aus einem Bedürfnis heraus rennt er die Verandatreppe hinunter und springt auf das Dach der schwarzen Limousine. Dort steht er und starrt zum Horizont, so weit sein Auge reicht. Es fühlt sich an wie ein neuer Anfang.
    Er dreht sich um und sieht zum Haus, dem großen gelben Monstrum, dem bedrückenden Himmel dahinter, und dann fällt sein Blick auf das blutige weiße Handtuch, das im Fenster weht. Der Wind überrascht ihn manchmal immer noch.
    Als das Lied zu Ende ist, herrscht einen Moment Schweigen. Wie lange genau, vermag Pressia nicht zu sagen. Die Zeit spielt nicht länger eine Rolle. Sie hebt und senkt sich. Pressia geht zum Fenster, und Bradwell steht hinter ihr. Er schlingt den Arm um ihre Taille, sieht über ihre Schulter nach draußen. Keiner von beiden kann jetzt noch weiter weg vom anderen sein. Auch wenn sie dieses Gefühl beide noch nicht in Worte gefasst haben, sind sie fest aneinandergebunden, noch fester, seit sie einander fast verloren hätten.
    Dann nimmt das Leben seinen Lauf, weil es muss. El Capitán und die Soldaten heben Ingership an den Armen hoch und schleifen ihn aus dem Zimmer. Seine Schuhe ziehen eine blutige Spur über den Boden.
    Lyda war aus dem Raum gegangen und kommt jetzt wieder herein. »Wo ist Partridge?«, fragt sie aufgeregt. »Weiß jemand, wo er hingegangen ist?«
    Niemand weiß etwas, und so geht sie wieder nach draußen.
    Ingerships Frau hebt den Vorhang vom Boden auf und faltet ihn zusammen. Sie sieht Pressia an. »Du bist wegen mir zurückgekommen«, sagt sie.
    »Und du hast mir das Leben gerettet«, antwortet Pressia.
    »Ich wusste es gleich in dem Moment, als ich dich zum ersten Mal sah«, sagt Ingerships Frau. »Manchmal, wenn man einen anderen Menschen trifft, weiß man einfach, dass sich das Leben von diesem Moment an grundlegend ändert.«
    »Das stimmt«, sagt Pressia. Für sie waren diese anderen Menschen Bradwell und Partridge. Sie wird nie wieder die Gleiche sein.
    Ingerships Frau nickt und sieht Bradwell an. »Du erinnerst mich an einen Jungen, den ich einmal gekannt habe, aber das ist Ewigkeiten her.« Sie blickt an ihm vorbei ins Leere. Sie streicht über den weichen Stoff des Vorhangs, dann wendet sie sich um, verlässt das Zimmer, entfernt sich durch den Flur.
    Damit sind Bradwell und Pressia allein im Operationssaal. Pressia dreht sich zu ihm um. Er küsst sie auf die Lippen, zärtlich, und sie spürt die Hitze auf seiner Haut, den Druck seiner weichen Lippen auf ihren.
    »Jetzt bist du an der Reihe«, flüstert er. »Jetzt musst du mir versprechen, nicht zu sterben.«
    »Ich will es versuchen«, sagt Pressia. Der Kuss kommt ihr ohnehin vor wie ein Traum. Gab es ihn? War er real?
    Dann erinnert sie sich an die kleine lautlose Glocke. Sie greift in die Tasche und zieht sie hervor. Legt sie auf die Handfläche und reicht sie ihm. »Es ist ein Geschenk«, sagt sie. »Man denkt, man hat jede Menge Zeit, und dann hat man doch keine. Es ist nicht viel, aber ich möchte es dir schenken.«
    Er nimmt die Glocke, schüttelt sie, doch sie macht kein Geräusch. Er hebt sie hoch und hält sie an sein Ohr. »Ich höre
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