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Memento - Die Überlebenden (German Edition)

Memento - Die Überlebenden (German Edition)

Titel: Memento - Die Überlebenden (German Edition)
Autoren: Julianna Baggott
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Friseurladens, den Schrank, in dem sie sich verstecken sollte. Kein Versteckspiel mehr. Sie denkt an den Smiley, den sie in die Asche gemalt hat. Längst verschwunden, Ascheschicht auf Ascheschicht. Sie wird sich nicht wieder verstecken oder verstecken lassen.
    »Ihr wartet im Wohnzimmer!«, sagt Ingership so laut, dass Pressia zusammenzuckt.
    Lyda sieht Pressia an, dann erwidert sie gelassen: »Wir tun, was wir für richtig halten.«
    Ingership läuft dunkelrot an. Er sieht der Reihe nach zu El Capitán, Bradwell, Partridge. »Nun?«, sagt er. Offensichtlich erwartet er, dass die drei etwas unternehmen.
    Sie sehen sich an.
    Bradwell zuckt die Schultern. »Was, nun? Sie haben die Antwort gehört.«
    »Ich werde nicht zulassen, dass ihre Sturheit uns aus der Spur wirft.« Er dreht sich auf der Treppe um und geht nach oben, eine Stufe nach der anderen. Oben angekommen, zieht er einen Schlüssel an einer Kette aus der Hosentasche und schließt eine Tür auf.
    Sie betreten ein Zimmer, das im ersten Moment aussieht wie ein großer Operationssaal, steril und ganz in Weiß. Unter den Fenstern steht ein Tresen mit Metallschalen, Tupfern, kleinen Messern, Gaze und einem Behälter mit Narkosemittel. Sie treten alle an den OP-Tisch. Pressia vermutet, dass sie hierhergebracht wurde, dass sie ihr hier die Wanzen eingepflanzt haben und den Ticker. Sie kann sich an nichts von alldem erinnern, mit Ausnahme der Tapete vielleicht. Sie ist hellgrün mit kleinen Booten. Sie kommen ihr seltsam vertraut vor. Ist es das, was sie gesehen hat, als sie für einen Moment zu sich kam, auf dem OP-Tisch? Kleine Boote mit geblähten weißen Segeln?
    »Du operierst regelmäßig hier oben?«, fragt Bradwell.
    »Ziemlich«, räumt Ingership ein.
    Die Soldaten sehen nervös aus. Ihre Aufmerksamkeit ist geteilt zwischen Ingership und El Capitán – wer von beiden wird als Nächstes einen Befehl in ihre Richtung bellen?
    »Geh und hol meine liebe Frau«, sagt Ingership zu einem der beiden.
    Der Soldat nickt und verschwindet für einen Moment. Am Ende des Gangs klopft er an eine Tür, Stimmen ertönen, Schlurfen. Eine Tür wird geschlossen. Er kehrt mit Ingerships Frau zurück. Ihre Hände und ihr Gesicht sind immer noch mit dem weißen Ganzkörperstrumpf bedeckt, der lediglich Augen und Mund freilässt. Sie trägt immer noch die Perücke aus honiggelbem Haar, dazu einen langen Rock und eine weiße Bluse mit hohem Kragen. Blut ist durch den Strumpf in die Bluse und den Rock gesickert und schimmert dunkel. Der Strumpf ist an einer Hand gerissen, sodass ihre Finger frei liegen. Einige sind blau und geschwollen, als wären sie verdreht worden. Auf diese Weise ist Ingership möglicherweise an die Kratzer im Gesicht gekommen. Der Strumpf ist außerdem auf einer Seite ihres Gesichts zerrissen und gibt den Blick auf blasse Haut frei, eine dunkle Schwellung und zwei Narben, die aussehen wie frische Verbrennungen. Pressia versucht sich den Wortlaut dessen in Erinnerung zu rufen, was Ingerships Frau in der Küche zu ihr gesagt hat.
    Ich passe auf, dass dir nichts passiert.
    Hat Ingerships Frau ihr geholfen? Und wenn ja, wie?
    Ingership deutet auf einen kleinen Lederhocker in einer Ecke. Seine Frau hastet durch den Raum und nimmt darauf Platz. Als sie sitzt, sieht sie aus wie eine in einen Strumpf gehüllte Puppe, wie die, die Kinder gerne als Symbol für Reine benutzen und anzünden. Doch die Augen von Ingerships Frau sind äußerst lebendig. Sie zucken hierhin und dorthin und stehen keinen Moment still. Sie sieht allen in die Gesichter, dann bleibt sie an Bradwell hängen, als würde sie ihn wiedererkennen und als wollte sie, dass er sie auch wiedererkennt. Doch das scheint nicht der Fall zu sein. Schließlich sieht sie Pressia an.
    Pressia nickt ihr zu, unsicher, wie sie die ausdruckslosen Gesichtszüge deuten soll.
    Ingerships Frau erwidert das Nicken. Dann senkt sie den Blick, starrt auf ihre verschränkten Finger. Erwartet sie von Pressia, dass sie ihr hilft?
    »War das hier vielleicht mal ein Kinderzimmer?«, fragt Lyda leise, möglicherweise, um die Situation ein wenig zu entschärfen.
    »Wir dürfen uns nicht fortpflanzen«, sagt Ingership. »Offizieller Befehl. Nicht wahr, Liebling?« Pressia ist verwirrt. Offizieller Befehl? Dann wechseln Partridge und Lyda einen Blick. Sie kennen die Gesetze gut genug. Pressia vermutet, dass nur manche sich fortpflanzen dürfen.
    »Die Dose?«, sagt Ingership zu seiner Frau.
    Ingerships Frau erhebt sich und nimmt
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