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Memento - Die Feuerblume: Band 2 (German Edition)

Memento - Die Feuerblume: Band 2 (German Edition)

Titel: Memento - Die Feuerblume: Band 2 (German Edition)
Autoren: Julianna Baggott
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verstecken, einer Art zweiten Haut. Seit Neuestem hüllt sie sich wieder in Stofffetzen – schämt sie sich für ihr Aussehen? Oder ist es eine simple Angewohnheit? Sie hat ihren Ehemann ermordet, sie hat ihm ein Skalpell in den Rücken gerammt, und das hat sie komplett um den Verstand gebracht. Partridge will nur noch Lyda sehen. Lyda.
    »Lyda? Ja. Illia? Ich weiß es nicht«, antwortet Mutter Hestra.
    »Und wohin gehen wir?«
    »Kann ich nicht sagen.« Damit stapft sie davon und knallt die Kellertür zu. Eine Sekunde lang denkt Partridge nur noch eines: Er kommt hier raus. Er wird Lyda wiedersehen, morgen schon. Alles wird sich ändern, schon bald. Sehr bald. Er spürt es. Er vermisst sie so sehr.
    Da hört er ein tiefes, dumpfes Krächzen, gefolgt von einem Knirschen, als würde man einen Spaten in die Erde stoßen. Doch das schwerfällige Schaben kommt nicht von einem Spaten.
    Partridge spürt, dass er nicht mehr allein ist.
    Die Spieluhr seiner Mutter liegt im Dreck. Als er danach greift, sieht er eine längliche schwarze Kralle, die an einem dünnen Stängel – einem Insektenbein, einem gigantischen Insektenbein – unter der Holzplatte hervorragt. Das kann nicht das Bein des Käfers sein. Es ist viel zu groß. Aber das Krächzen dauert an.
    Partridge legt die Hand auf die Platte und hebt sie langsam an. Das Bein krümmt sich und verschwindet.
    Er atmet tief ein – und reißt die Platte so heftig nach oben, dass sie sich überschlägt. Manchmal vergisst er, wie stark er durch die Codierungen geworden ist.
    Da ist er – der Käfer. Sein Schwanz schlägt klackernd auf den gepanzerten Rücken, seine Flügel flattern planlos und wirkungslos. Ein Krächzen ertönt, als er nach Luft schnappt.
    Eines seiner stacheligen Beine ist viel zu dick, viel zu groß.
    Das Serum aus der Ampulle hat funktioniert. Da die Zellen des Käferbeins intakt waren, hat es keine Schäden repariert, sondern mit rasender Geschwindigkeit weiteres gesundes Gewebe aufgebaut. Selbst die kunstvollen Dornen auf dem riesigen Hinterbein sind genauso angeordnet wie auf dem winzigen Gegenstück. Partridge weiß nicht warum, aber irgendwie kommt ihm das Ganze bekannt vor – der fein ziselierte Nachbau kleiner Gliedmaßen … Hat er schon mal von etwas Ähnlichem gehört?
    Er traut sich nicht, das Bein anzufassen, denn seine Haut brennt und kribbelt noch immer. Eigenwillig, fehlerhaft, gefährlich . So hat seine Mutter das Serum beschrieben. Das unkontrolliert zuckende Käferbein ritzt einen tiefen Krallenabdruck in den Boden.
    Partridge spürt, wie ihn ein seltsames Gefühl der Macht überkommt. Er hat diese Verwandlung ausgelöst – mit einem winzigen Tropfen Flüssigkeit. Das Blut hämmert in seinen Schläfen, seine Ohren klingeln. Er denkt an seinen Vater, seinen mächtigen Vater. Wie hat sich der Alte gefühlt, als die Bomben hochgingen? Als ein greller Lichtblitz nach dem anderen die Erde pulsieren ließ?
    Oh Gott, denkt Partridge. Hat sich sein Vater in die Macht verliebt? Hat er sich dadurch gefühlt, als würde er von innen leuchten? Hat er sich gefühlt wie Partridge in diesem einen, winzigen Moment, nur exponentiell gesteigert und für immer und ewig?
    Der Käfer presst die Flügel an den Rücken. Sein Bein zuckt noch ein paar Mal, dann gräbt es sich wie ein Messer in die Erde und schiebt den gesamten Körper hoch. Das Bein hat Kraft. Die kleineren Beine rudern in der Luft, während sich das riesenhafte Bein zusammenzieht und wieder streckt – der Käfer katapultiert sich in die Luft. Doch seine flatternden Flügel können das Gewicht des Beins nicht halten, und so landet er wieder auf dem Boden. Das starke Bein fängt den Aufprall ab und zieht sich abermals zusammen. Der Käfer macht einen weiteren Sprung nach vorne, flattert, landet, zieht das Bein zusammen, springt …
    Der Käfer ist nicht mehr, was er vor ein paar Minuten war.
    Er ist eine neue Spezies.

EL CAPITÁN
Neu
    Mal schneit es, mal schneit es nicht. Jetzt hat es wieder angefangen. Flatternde Schneewehen fallen vom Himmel, driften durch die dunklen Bäume, legen sich aufs Unterholz und die verkrümmten Wipfel. Im kühlen Herbst ist vielen Ästen ein dickes Fell gewachsen. El Capitán fährt mit dem Finger über den dürren Zweig eines jungen Baums – das ist nicht der zarte Flaum einer Pflanze. Das ist flauschiges Fell, wie am Bauch einer jungen Katze. »Ist das das Überleben des Stärkeren?«, fragt El Capitán seinen Bruder Helmud, dessen Gewicht für immer
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