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Memento - Die Feuerblume: Band 2 (German Edition)

Memento - Die Feuerblume: Band 2 (German Edition)

Titel: Memento - Die Feuerblume: Band 2 (German Edition)
Autoren: Julianna Baggott
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Wesen legt den Kopf schief und hält die Nase in die Luft.
    »Willst du was zu essen? Leider hab ich dich nicht erwartet. Sonst hätte ich dir was eingepackt.«
    Das Wesen schüttelt den Kopf, beugt sich vor und wischt das tote Laub vom Pfad, bis die kahle, aschgraue Erde freiliegt. Dann richtet es sich wieder auf und hebt einen Fuß. Aus der Stiefelspitze schnellt ein breiter Dolch. El Capitán zuckt zusammen. Will der Typ ihn aufschlitzen, oder was? Doch das Wesen stößt den Dolch in die Erde, blickt nach oben, hoch in die Baumwipfel, und fängt an, ein Wort in den Boden zu graben. Wahrscheinlich sind seine Augen und Ohren verwanzt, genau wie Pressias vor einiger Zeit. Dieses Spiel kennt El Capitán. Das Wesen will ihm etwas mitteilen, ohne dass es aufgenommen wird.
    Unter das Wort zeichnet das Wesen noch irgendein Symbol.
    El Capitán ist zu weit entfernt, um das Wort zu lesen. Außerdem steht es auf dem Kopf.
    Das Wesen weicht zurück, schlägt sich mit ein paar Sätzen ins Gestrüpp, springt ab und klammert sich an einen dicken Baumstamm. Die obere Hälfte des Baums ist abgeknickt, das Innere wurde von Insekten weggefressen.
    Zögerlich tritt El Capitán einen Schritt vor. Nach einem weiteren Blick auf das Wesen, das immer noch irgendwo in die Ferne starrt, geht er um das geritzte Wort herum und liest leise: HASTINGS. Soll das ein Name sein? Oder ein Ort? Das Wort Schlacht kommt ihm in den Sinn. Hat Hastings nicht irgendwas mit einem Krieg zu tun? El Capitán weiß, dass er das Wort lieber nicht laut aussprechen sollte. Er betrachtet das Symbol. Es ist ein Kreuz. Mit so einem Kreuz endete auch die Botschaft, die das Kapitol kurz nach den Bombenangriffen auf kleinen Papierstreifen vom Himmel regnen ließ: ein Kreuz mit einem Kreis am Schnittpunkt der senkrechten und waagrechten Linie.
    »Keine Ahnung, was er von mir will«, sagt El Capitán zu Helmud.
    Der Soldat springt auf die Erde und fängt an zu rennen. Aber dann bleibt er stehen.
    »Will er, dass wir ihm folgen?«, fragt El Capitán.
    »Folgen«, sagt Helmud.
    El Capitán nickt. Etwa eineinhalb Kilometer weit folgt er dem Soldaten durch den Wald. Es geht zügig voran. Schließlich erreichen sie eine Lichtung mit Blick auf die Stadt, oder besser gesagt auf deren Überreste. Aus dieser Höhe sieht man sofort, was geblieben ist: Trümmerfelder, Märkte für den Tauschhandel, die Skelette alter Gebäude, ein Gitternetz aus Gassen, unzählige namenlose Straßen.
    Der Soldat ist verschwunden. El Capitán schaut sich um. Nichts. Er ist außer Atem, und auch Helmuds Herz hämmert wie wild – vielleicht weil El Capitáns Herz das Blut so schnell durch ihren gemeinsamen Körper pumpt? »Verdammt«, murmelt El Capitán. »Was soll ich denn hier?«
    »Soll ich denn hier«, sagt Helmud.
    Von hier aus kann El Capitán das Kapitol erkennen, die weiße Rundung des Kuppelbaus auf dem fernen Hügel und das Kreuz, das im aschefarbenen Himmel glitzert. »Denkt der, ich wüsste nicht, woher er kommt?« Mit den Knöcheln reibt El Capitán sich die Augen.
    »Woher er kommt«, sagt Helmud und deutet auf das karge Land rund um das Kapitol, das fast zur Wüste geworden ist – auf eine Ansammlung von Menschen, die Holzstämme schleppen und auf dem vereisten Boden anordnen.
    »Was sind denn das für Wahnsinnige?«, fragt El Capitán. »Wollen die da irgendwas bauen? Vor dem Kapitol?«
    »Vor dem Kapitol?«, wiederholt Helmud.
    Warum vor dem Kapitol? Wollte der Soldat ihm das zeigen? Und wenn ja, warum? El Capitán beobachtet, wie sich die Leute bewegen. Sie sind gut organisiert, reichen das Holz in geordneten Reihen von einem zum anderen. Wie Ameisen.
    »Das gefällt mir nicht«, bemerkt El Capitán. »Was soll das denn werden? Ein Feuer?«
    »Feuer«, sagt Helmud.
    El Capitán blickt hoch zum Kapitol. »Und wie kommt man auf so eine bescheuerte Idee?«

PRESSIA
Sieben
    Die Leichenhalle ist ein kühler, kahler Raum mit einem langen Stahltisch in der Mitte. Seit Pressias letztem Besuch vor einigen Wochen hat Bradwell noch mehr Papiere und Bücher auf dem Tisch ausgebreitet. Das nie vollendete Manuskript seiner Eltern liegt in Stapeln auf der Platte. Außerdem hat er ein Originalexemplar der Botschaft an die Wand gehängt, das Pressias Großvater jahrelang aufbewahrt hatte. Pressia hat es ihm gegeben, nachdem er zum Friseurladen gegangen war, um zu holen, was dort noch zu holen war. Schließlich ist er hier der Archivar.
    Wir wissen, dass ihr hier seid,
    Brüder und
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